Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
Spinnern, die glaubten, alles Böse auf der Welt hätte einen Sinn und das Leben folge einem mysteriösen Plan. Der Typ rauchte kein Gras und schmiss auch kein LSD ein – seine Droge war Gott.
Aber die Welt war nicht in Ordnung. »Haben Sie von dem Jungen gehört, der unten im Tal verschwunden ist?«, fragte sie.
»Er ist nicht fort, nicht verloren.« Der Mann trat einen Schritt an ihr vorbei.
»Warten Sie!« Sam streckte die Hand aus. »Warum sagen Sie das?«
Er legte den Kopf ein wenig schräg, als betrachte er sie wie einen ungewöhnlichen Käfer. »Niemand von uns ist verloren. Man wird sich seiner annehmen. Unser Schöpfer wird für ihn sorgen.« Dann machte der Mann einen Schritt auf sie zu, hob die Hand und strich mit den Fingerknöcheln über den blonden Zopf, der über ihrer Schulter lag. »Dein Haar schimmert wie das Mondlicht.«
Das war ein wenig unheimlich, aber Sam zwang sich, stehenzubleiben und abzuwarten, was der Mann als Nächstes tun würde.
Er wandte sich um und ging davon.
Sie rief ihm nach: »Könnten Sie einem Ranger Bescheid geben, wenn Sie den Jungen sehen?«
Er gab kein Zeichen, dass er sie gehört hatte. »Danke für die Trauben«, schrie sie.
Sie sah ihm nach, bis er außer Sichtweite war. Eigenartiger Typ, nicht ganz von dieser Welt. Die Plattitüden, die er von sich gegeben hatte, machten sie ärgerlich. Verlier den Glauben nicht. Gott sorgt für uns.
Noch nie hatte sie erlebt, dass passiver Glauben jemandem gut getan hätte. Nur ein einziger religiöser Spruch gefiel ihr: »Gott hilft denen, die sich selbst helfen.« Und der stand nicht mal in der Bibel. Ganz davon abgesehen, dass es sich Gott damit ziemlich einfach machte. War sie der einzige Mensch auf der Welt, dem aufgefallen war, dass das Höchste Wesen anscheinend keine Verantwortung übernahm?
Aber abseits der Plattitüden war es auch einfach nett, einer solchen Milde in diesem Aufruhr zu begegnen. Ihr gefiel der Gedanke, dass ihr Haar wie Mondlicht schimmerte. Und die Trauben waren knackig und schmeckten köstlich.
In ihrer Privatschlucht, die dankenswerterweise kein Zeichen von fremdem Eindringen aufwies, machte sie schnell heißes Wasser und rührte eine Tütensuppe hinein. Dann schaltete sie den Computer an und stellte die Satellitenverbindung her. Unter der Schlagzeile: »Kein Beweis für einen Pumaangriff« zeigte der SWF den gestern geschriebenen Artikel mit kleinen Änderungen und den Fotos vom Vermisstenzettel und der durchlöcherten Tafel.
Sam knirschte mit den Zähnen. Nicht gerade die Beschreibung der zauberhaften Natur, die sie im Sinn gehabt hatte. Doch es gab noch eine zweite Seite mit einer allgemeinen Abhandlung über die geologischen Formationen und Klettermöglichkeiten im Heritage National Monument Park, sowie einem grobkörnigen Foto, das aus dem von ihr gedrehten kurzen Film stammte, und Teenager zeigte, die einen Abhang hinunterkletterten. Sam beugte sich vor. Warum hatten sie nicht eine Videosequenz eingebaut statt eines Standbilds?
Plötzlich ließ sich eine kleine Gestalt wie eine Spinne am seidenen Faden über den kompletten Bildschirm herunter. »Cowabunga!«, gellte Camerons Stimme aus den Lautsprechern. Das Mädchen blieb am Fuß der Seite stehen und klatschte sich mit einer anderen Gestalt ab, die vom linken Bildrand gerannt kam. Dann verschwanden beide im Text hinter ihnen.
Sam setzte sich lachend zurück. Mad Max hatte wieder zugeschlagen. Zumindest einer hatte also Spaß an der ganzen Sache. Cowabunga, aber echt . Sam wäre jetzt gerne ein wilder Teenager namens Cameron statt eine ausgelutschte Autorin namens Wildnis Westin.
Sie stählte sich innerlich für das Unvermeidbare und rief ein paar Nachrichtenseiten auf. Die Website von Sane World war nahezu unverändert. Sie hatten nur eine Werbung für ein T-Shirt zum »unschlagbaren Preis von $ 7,99!« neu eingestellt. Auf dem schwarzen Stoff glitzerten Pumaaugen, und darunter prangte in roten Lettern: SIE SIND DA DRAUSSEN.
A uf der Website von KSEA stand nichts über das FBI oder die Lösegeldforderung. Aber in einem Seitenbalken wurde der Landwirtschaftsminister zitiert: »Staatlich bestallte Jäger sind für den Heritage National Monument Park bereitgestellt worden. Die Regierung wird alles tun, um den Schutz von Besuchern zu garantieren.«
»Nein, oh nein.« Sam stöhnte und barg das Gesicht in den Händen. Wollte weinen. Oder schreien. Lieber Gott, lass einen Menschen Zack verschleppt haben, nicht einen Puma. Sie verbat sich
Weitere Kostenlose Bücher