Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
und den Pfad hinunterlief.
Kent folgte ihnen einen Kilometer, um zu überprüfen, ob sie wirklich zum Nordtor gingen. Er meldete den Vorfall und bat einen anderen Ranger, die Männer am Anfang des Wanderwegs abzuholen und sicherzustellen, dass sie den Park verließen. Dann schlug er den Weg zum Navajo Leap ein. Es waren noch mehr als zehn Kilometer, und nur Gott wusste, wie viele Irre er noch belehren musste, bevor er Mesa Camp erreichte. Bei seiner letzten Patrouille im Hinterland hatte er ein Stinktier, einen Präriebussard und eine Peitschennatter auf der Jagd nach einer Taschenmaus beobachtet. Heute konnte er wohl kaum eine solche Palette von Tieren erwarten, aber er hoffte, dass er wenigstens mehr Tiere als Arschlöcher zu Gesicht bekam.
Am späten Nachmittag erreichte Sam die Hochebene, und es kam ihr so vor, als könne sie nun leichter atmen, obwohl die Luft noch warm und schwer durch die gnadenlose Sonne war. Über ihr röhrte ein Hubschrauber. Sam sah nach oben; zwei Beine und ein Gewehrlauf ragten aus der offenen Seitentür. Wer spielte hier Wilder Westen? Und warum? War Thompson etwa schon eingeknickt? Viel Rückgrat hatte er ja noch nie besessen.
Der SWF brauchte etwas für die Website, um sich gegen die Angriffe im Fernsehen und Internetauftritte wie Sane World zu verteidigen. Konnte sie es wagen, über Fischers Polizeiakte oder Zacks Adoption zu berichten? Sie durfte ihre Quellen nicht nennen. Aber von der Lösegeldforderung und dem gefundenen Schuh hatten bereits so viele Leute gehört, dass man beides als allgemein bekannt voraussetzen konnte. Das Telefon und der Laptop drückten schon den ganzen Tag in ihren Rücken; es war an der Zeit, zum Lagerplatz zurückzukehren und mit den einzigen Waffen zu feuern, die sie hatte: mit Worten.
Am höchsten Punkt des Aufstiegs würde die Verständigung am besten sein. Sam stellte das Funkgerät an, als Kent gerade eine Begegnung mit Wilderern am Habicht meldete. Ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass ihr Freund sich nur mit Pfefferspray bewaffnet drei Gewehren in den Weg gestellt hatte. Aber er klang recht aufgeräumt, als er mit den Worten schloss, er würde im Mesa Camp übernachten. Der Kerl hatte echt Eier.
Hinter ein paar hohen Felsen stieß sie fast mit einer großen Gestalt zusammen. Sie blieb wie angewurzelt stehen, schnappte nach Luft und murmelte »Hallo«.
Den ungelenken Bewegungen nach zu schließen, musste der Mann auch überrascht von der Begegnung sein. Das stumpfe, rotbraune Haar stand zottig nach allen Seiten ab, als hätte er beim Schneiden keinen Spiegel zur Verfügung gehabt. Anscheinend hatte er erst vor Kurzem seinen Bart abgenommen, denn die Wangen waren im Vergleich zu den oberen Hautpartien bleich. Die Jeansshorts hing lose an den dünnen Hüften, und die dreckigen Tennisschuhe wiesen vorne Löcher auf. Um die Taille hatte er ein braunes Hemd geknotet, und in der Hand hielt er einen halb abgegessenen Strunk roter Trauben.
Als sei er zu dem Schluss gekommen, dass sie ihm nicht feindlich gesonnen war, setzte er ein strahlendes Lächeln auf. »Hi.« Dann streckte er ihr die Früchte hin. »Trauben?«
Die kleinen roten Kugeln dufteten himmlisch. Sollte sie ein paar nehmen oder gleich alle?
»Keine Sorge, ich habe noch mehr.« Er streckte die Trauben noch weiter in ihre Richtung.
»Danke«, sagte Sam und griff zu. »Sie wissen, dass Sie sich nicht mehr auf dem Wanderweg befinden?«
Er sah sie fragend an. »Sie ja auch nicht.«
Touché. Der Mann trug keinen Rucksack. »Ein Tagesausflug?«, fragte Sam.
Er winkte ab. »Ich bin für immer hier draußen. Und Sie?«
Sie steckte eine Traube in den Mund. Wie sollte sie diese merkwürdige Unterhaltung fortführen? Keinesfalls wollte sie einfach weitergehen und ihm dadurch verraten, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatte, das ganz in der Nähe lag. Ein wenig beunruhigt fragte sie sich, ob der Mann ihr Zelt und die Ausrüstung bereits entdeckt hatte. In seinen Augen suchte sie nach Anzeichen von Drogen, doch der blaue Blick war ernst, beinahe sogar freundlich. Und falls er wirklich auf ihr Lager gestoßen war, hatte er offensichtlich nichts weggenommen. Er hatte ja nicht einmal einen Rucksack oder eine Wasserflasche dabei.
Langsam kaute sie noch eine Traube. Dann murmelte sie schließlich, um ihr Unwohlsein zu überspielen: »Ein schöner Tag zum Wandern.«
»Wirklich und wahrhaftig. Ein Geschenk unseres Schöpfers.«
Ach so. Jetzt war ihr alles klar. Das war einer von den religiösen
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