Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Joseph: wiedergesehen zu werden von ihr.
Da aber, sicheren Halt vernachlässigend, rutscht er ab, stürzt von der Mauer.
Und er fällt in den Staub der Straße. Richtet sich auf, noch ist er unverletzt.
Ohne es zu bedenken, klettert er nochmals nach oben. Setzt den Fuß vorsichtiger jetzt, setzt ihn, um ein weniges verschoben, nach links.
Und hinauf, vorsichtig um sicheren Halt, setzt er neunmal den Fuß auf die steinernen Sprossen und kommt nochmals nach oben.
Da liegt der Garten, da stehen Landhaus und Baum. Um ein weniges nur sieht verschoben er sie, Garten und Landhaus und Baum. Und doch, von der neuen Warte aus, scheint ihm alles verändert.
Und Joseph hört aus der Richtung des Baums: Wassergeräusch. Als schöpfe dort eine im Rücken des Baums.
Und jetzt, nicht wie vorhin sieht er den Baum.
Sondern erkennt einen Menschen, einen Ägypter, der, mit dem Rücken zu Joseph, wie reife Frucht daran hängt.
Aber nicht sich klammernd am Ast hängt der, sondern blutig an Schultern, an Rücken und Beinen hängt er, daß seine Fingerspitzen nicht erreichen den Querast, darunter er hängt.
Lederne Riemen umfesseln das Gelenk beider Hände, und wie windgeschoben – aber bei Stille des Winds –, leicht hin und leicht her schwingt der Schwere. Daß der Ast unterm Wiegedruck tönt solcher Last, und die rotbetunkten Halme zu Erden, daß sie hinweichen vor ihm und her, dessen Fußspitzen sie nicht berühren.
Da bricht aus dem Schatten hinterm ägyptischen Sklaven einer hervor.
Erschrocken duckt sich Joseph hinab, sieht aber noch, sieht noch hinüber.
Es ist der Aufseher der Hausknechte. Der kommt mit dem Wasser, das er soeben geschöpft, schüttet’s hinaufwärts heraus, daß es
klatschend antrifft
auf Schultern und Nacken des
Hängenden.
So daß es herabrinnt, eilig
sich mischend in Wundstreif,
schnittief hier rennend, dort
kreuzend zerfetzte Bahn,
durchlösend querhin und
schräghin,
daß es rotsämig wässert die
Halme zu Erden,
erwacht
der Ohnmächtige.
Kaum regen sich wieder die Finger überm Strang der Gelenkriemen, wirft der Aufseher den Kübel, daß er ausrollt beiseit, an der gabligen Wurzel des Baums sich verfängt.
Da einpeitscht der Aufseher von neuem auf den Ägypter.
Und der es sieht, Joseph, sieht weg, will hinabsteigen, spricht bei sich: ›Wem sehe ich zu? Gott sei mein Zeuge: Weiß ich, was hier geschieht? Daran gerührt hab ich nicht. Und also, was ginge’s mich an?‹
Wie gebunden verharrt er, verharren die Hände Josephs am Steinmauerrand, als sein Fuß sich den Halt hinabwärts zu steigen schon sucht.
Da hört er Stimmengeschnatter, Frauengelächter – sieht hin.
Von hinter dem Aufseher, aus dem Eingang der Küche des Hauses kam’s her. Aber niemand zu sehen, denn die Mägde beobachteten sicher im Schatten, und keine wagte’s heraus an den Baum. Rief aber eine dem Aufseher zu:
›Jetzt tu, wie du uns versprochen!‹
Da zieht der Aufseher, dessen Schläge den Sklaven wieder angeschoben hatten, die Peitsche ein. Wischt sich die Stirn, steckt die Riemen in seinen Gurt. Er wendet sich um, geht los, am Haus dort entlang, und verschwindet hinein durch die ferne Tür.
Stille des Gartens.
Nur das leise Tönen des Asts unterm Schwingen der Last.
Und bei sich sprach Joseph:
›Genug. Was dich nichts anging, ist nun vorüber. Genug jetzt. Steig hinab, längst ist es Zeit.‹
Da, beim letzten Blick auf den Baum, im Abstieg begriffen schon, bemerkt er, nur ellenhoch über dem Hängenden: blinkend Bewegung. Sieht eine, die langsam, streifend-gleitend hinabwärts sich zieht.
Wie vom blind sich regenden Finger des Sklaven gelockt, aus dem Dunkel des Kronlaubs herabgerufen, rückt und preßt die Schlange den Stamm auf den Hängenden zu.
Stille des Gartens.
Still auch die Last.
Da überkommt’s Joseph, er will den Mann retten, bevor ihn die Schlange noch beißt.
Und er wagt’s, muß doch, springt hinab in den Garten, trifft auf, hastend rennt hin auf den Hängenden zu.
Und im Rennen noch zieht seine Rechte ihm unterm Handwerkszeug aus der Leinentasche hervor das Beil.
Und der Ägypter: Jetzt blickt sein Auge her auf den atemlos ihm zur Seite Kommenden, durchbohrt Joseph belastend, als sage es:
›Du willst mich schlachten.‹
Und Joseph erschrickt vor ihm, denkt: Für seinen Peiniger hält mich der, den ich losschneiden will.
Und kommt daher nicht hinter, sondern vor ihn zu stehen, ihm unter die Augen. Und sah hinauf zu den Augen, hastig, doch wünschend, die
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