Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
Grunwald konnte ihn riechen. Johnson stank zum Himmel. Grunwald planschte zur anderen Seite der Wanne hinüber; seine hageren Oberschenkel blitzten weiß über dem sprudelnden Wasser auf, und die Bräune an den dürren Waden sah aus wie Nylonstrümpfe. Er versuchte, sich am Wannenrand hochzustemmen. Johnson legte ihm jedoch einen zwar schlimm zerkratzten, aber noch immer furchtbar starken Arm um den Hals und zerrte ihn ins Wasser zurück.
»Nein nein nein nein nein!«, sagte Johnson lächelnd. Er zog Grunwald an sich. Kleine braune Tupfer schwammen auf der Wasseroberfläche. »Wir schwulen Kerle baden nur selten allein. Darauf bist du doch bestimmt bei deiner Internetrecherche gestoßen. Und schwule Hexen? Niemals!«
»Lass mich los!«
»Vielleicht.« Johnson drückte ihn jedoch nur noch fester an sich, eine entsetzlich intime Umarmung. Und er stank immer noch nach dem Klohäuschen. »Aber erst musst du den Tauchstuhl für Schwuchteln ausprobieren. Das ist so was wie eine Taufe. Um alle Sünden von dir abzuwaschen.« Aus dem Lächeln wurde ein Grinsen, aus dem Grinsen eine starre Grimasse. Da wurde Grunwald klar, dass er sterben würde. Nicht in seinem Bett, in einer fernen, von Schmerzmitteln gedämpften Zukunft, sondern hier und jetzt. Johnson würde ihn in seiner Badewanne ertränken, und das Letzte, was er sehen würde, wären die Schmutzklümpchen, die auf der Wasseroberfläche schwammen.
Curtis packte Grunwald an den nackten, hageren Schultern und drückte ihn unter Wasser. Grunwald schlug um sich und strampelte mit den Beinen. Sein spärliches Haar bildete einen Kranz um den Schädel, und aus seinem gewaltigen Zinken von einer Nase lösten sich kleine silberglänzende Bläschen. Curtis verspürte den fast überwältigenden Drang, ihn unten zu halten … und als der Stärkere wäre er dazu auch in der Lage gewesen. Früher hätte Grunwald es mit ihm aufnehmen können, selbst wenn er sich eine Hand auf den Rücken gebunden hätte, da hatte der Altersunterschied keine Rolle gespielt. Aber das war lange her. Dieses Arschloch war scheißkrank. Und das war auch der Grund, warum Curtis ihn schließlich losließ.
Grunwald richtete sich hustend und prustend auf.
»Du hast Recht!«, rief Curtis. »Hier drin lassen die Schmerzen wirklich nach! Aber reden wir nicht von mir; wie geht es dir? Willst du nochmal auf Tauchstation gehen? Das ist gut für die Seele – behaupten jedenfalls alle einschlägigen Religionen.«
Grunwald schüttelte heftig den Kopf. Ihm spritzte das Wasser aus den sich lichtenden Haaren und aus den noch etwas üppigeren Augenbrauen.
»Dann bleib einfach hier sitzen«, sagte Curtis. »Bleib sitzen und hör mir zu. Und ich denke mal, das hier brauchen wir nicht, was meinst du?« Er griff Grunwald zwischen die Beine – Grunwald zuckte zusammen und stieß einen leisen Schrei aus – und schnappte sich den Föhn. Curtis warf ihn hinter sich. Das Gerät rutschte unter Grunwalds Verandastuhl.
»Ich werde dich bald verlassen«, sagte Curtis. »Ich geh zu mir nach Hause. Du kannst dann ja an den Strand spazieren und den Sonnenuntergang bewundern, wenn dir noch danach ist. Ist dir noch danach?«
Grunwald schüttelte den Kopf.
»Nicht? Das dachte ich mir. Ich glaube, du hast deinen letzten schönen Sonnenuntergang erlebt, Nachbar. Ich glaube sogar, dass du deinen letzten guten Tag hinter dir hast, und darum lasse ich dich auch am Leben. Und weißt du, was der Witz dabei ist? Wenn du mich in Ruhe gelassen hättest, wäre alles so gelaufen, wie du es dir erhofft hast. Ich saß nämlich schon im Scheißhaus fest und wusste es nicht einmal. Ist das nicht komisch?«
Grunwald schwieg und starrte ihn nur voller Entsetzen an. Sogar seinem Blick war anzusehen, wie krank er war. Fast hätte Curtis Mitleid mit ihm gehabt, wenn ihm nicht so deutlich vor Augen gestanden hätte, wie Grunwald das Toilettenhäuschen umgestoßen hatte. Wie der Klodeckel aufgegangen war. Wie der Scheißhaufen auf seinem Schoß gelandet war.
»Antworte mir, oder du wirst nochmal gründlich getauft.«
»Es ist komisch«, sagte Grunwald mit schnarrender Stimme. Und fing an zu husten.
Curtis wartete, bis Grunwald sich wieder gefangen hatte.
»Ja, das ist es«, sagte er. »Es ist komisch. Die ganze Sache ist komisch, wenn man sie aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet. Und irgendwie tue ich das jetzt.«
Er stemmte sich hoch und stieg aus der Wanne. Dabei war er sich durchaus bewusst, dass er sich mit einer Geschmeidigkeit bewegte,
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