Sydney Bridge Upside Down
paar Autoteile, ein verrosteter Pritschenwagen. Mr Kelly, ein kompakter, lebhafter Mann, war nämlich Spediteur. Ihm gehörte auch der Reo-Lieferwagen, den er im Garten geparkt hatte, gleich neben seinen rostenden Vorgängern. Dass der Garten so schlimm aussah, hatte aber noch einen weiteren Grund. Dibs Kellys großer Bruder Buster benutzte ihn als Werkstatt, er reparierte Motorräder. Buster Kelly hatte eine Indian, alle bewunderten die Maschine, die einen Höllenlärm machte. Buster sorgte dafür, dass sie immer ordentlich lief.
»Nein, Mrs Kelly, das war nicht der einzige Grund für meinen Besuch«, sagte ich später am Vormittag. »Aber falls Buster auftaucht und mich mitnimmt, sage ich natürlich nicht nein. Ich finde es nämlich sehr schön, hinten auf der Indian zu sitzen und durch die Landschaft zu rauschen. Sie nicht, Mrs Kelly?«
»Auf dem Ding, bei dem Krach? Nein danke«, sagte Mrs Kelly und rupfte weiter ihr Geflügel.
»Es ist überhaupt nicht gefährlich«, sagte ich. »Wenn Sie mich fragen – Buster kann man vertrauen.«
Die füllige Mrs Kelly mit den dunkelroten Wangen warf mir einen ihrer vielsagenden Blicke zu. Sie sagte: » Mich musst du nicht überzeugen, junger Mann. Aber hat dir deine Mutter nicht verboten, bei Buster mitzufahren? Oder bringe ich da die Mütter durcheinander?«
»Nein, Sie haben schon recht, es war meine Mutter«, sagte ich. »Aber das ist sehr lange her. Ich glaube, heute würde es ihr nichts mehr ausmachen.«
»Buster würde sicherlich nichts tun, was sie nicht billigt«, sagte Mrs Kelly. »Wie sie wirklich dazu steht, erfahren wir erst, wenn sie wieder zu Hause ist, nicht wahr? Sie ist ja erst eine Woche fort, sie denkt bestimmt noch gar nicht daran, zurückzukehren.«
»Sie hat sicher nichts dagegen«, sagte ich. »Erst recht nicht, wenn sie sieht, was wir in der Zeit alles in Ordnung gebracht haben. Nicht dass Sie glauben, wir machen uns da drüben einen lauen Lenz, Mrs Kelly.«
Mrs Kelly hielt das gerupfte Huhn hoch und ließ es baumeln. »Vermisst du deine Mutter, Harry?«
»Kaum«, sagte ich und sah ihr zu, wie sie die Bank abwischte. »Wir kriegen Besuch«, sagte ich. »Unsere Cousine Caroline, sie kommt aus der Stadt.«
»Hab ich gehört, ja«, sagte Mrs Kelly. »Wie lang bleibt sie denn?«
»Weiß nicht«, antwortete ich. »Nicht so lange, hoffe ich. Wann kommt eigentlich Buster wieder, Mrs Kelly?«
»Erst am Wochenende«, sagte sie. »Heute wird es nichts, da hast du Pech.«
»Das macht gar nichts«, sagte ich, »ich habe eine Menge zu tun.«
»Harry?«, rief Cal. Er stand in der Tür.
»Ich muss auf den da aufpassen«, erklärte ich, »er vermisst seine Mama.«
»Stimmt überhaupt nicht!«, rief Cal.
»Natürlich tut er so, als wäre es ihm egal«, sagte ich zu Mrs Kelly.
»Als die ersten Leute nach Calliope Bay kamen«, erzählte sie, »machte ihnen vor allem die Einsamkeit zu schaffen. Ich meine jetzt nicht die Leute, die vor ganz langer Zeit hier waren, die paar Bauern, die versucht haben, in diesem Bezirk etwas anzubauen. Ich meine die Leute, die hierherkamen, um die Fabrik aufzubauen, und die Leute, die dann kamen, weil es Arbeit gab, dann die anderen, die nachzogen, als die Ersten wieder abhauten. Und dann die Arbeiter, die die Fabrik abgerissen haben. All diese Leute sind früher oder später sehr einsam geworden. Sie waren so weit, weit weg von allem. Es gibt im ganzen Land, auf der ganzen Welt, keinen abgeschiedeneren Ort. Und wenn die Menschen weit weg sind, wenn sie einsam sind, fangen sie oft an, sich merkwürdig zu verhalten, das ist bekannt. Der Lehrer, der damals, vor vielen Jahren, das Kind an den Baum auf dem Schulhof gebunden hat, hätte das an einem anderen Ort sicher nicht getan. Oder Mrs Prosser. Wie sie sich versteckt. Es ist, weil sie so weit weg von allem wohnt. Sie ist einsam, deshalb traut sie sich nicht heraus. Selbst wir anderen, die immer mal wieder vorbeischauen, die sich gegenseitig besuchen, um ein bisschen zu plaudern – selbst wir haben irgendwann genug. Ich muss mich richtig zusammennehmen, wenn ich jemanden besuche, den anderen geht es genauso. Ich habe deine Mutter gefragt, ob sie sich auf die Ferien in der Stadt freut. Das hat sie bestätigt. Wirklich, Janet?, habe ich gefragt. Dann hat sie erzählt, dass sie euch Jungs nicht gern alleinlässt, sie meinte, sie würde es bestimmt bereuen, dass sie euch nicht mitgenommen hat, wahrscheinlich kann sie ihren Urlaub gar nicht genießen, aus Sorge um
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