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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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nicht glauben können, dass keiner aufmacht. Wie die Bertha aber nicht nachgelassen hat und ihr erzählt hat, dass wir es nun schon seit Tagen versuchen, da ist es ihr mit einem Mal auch seltsam vorgekommen. Und nach einer Weile hat sie gesagt, dass es schon richtig ist, denn seit ein paar Tagen ist es ungewöhnlich ruhig droben in der Wohnung bei der Familie Ganslmeier.«
    Auguste vermied es, Huther auch nur ein einziges Mal anzusehen, während sie sprach. Irgendwie tat sie ihm leid, er zweifelte nicht einen Moment daran, dass sie froh und glücklich wäre, ihre zänkische Schwester endlich aus dem Haus zu haben.
    »Die Bertha hat sie gefragt, ob Clara eventuell mit dem Täuscher weggefahren ist?«
    »Aber das hat sich die Schmidt gar nicht vorstellen können, weil doch das Fräulein Clara immer so besorgt um die Mutter ist, und einfach wegfahren, das wär überhaupt nicht ihre Art. Dass ich nicht lach!«, echauffierte sich Bertha Beer, die erneut das Gespräch an sich gerissen hatte. »Herr Kommissär, da muss die Polizei nach dem Rechten schauen.«
    Huther öffnete den Mund, wollte etwas sagen, aber sie schnitt ihm das Wort ab. »Und der Schmidt ist noch etwas anderes aufgefallen. Am Donnerstag so gegen fünf, am Nachmittag, da hat sie das letzte Mal etwas aus der Wohnung über ihr gehört. Plötzlich ist es ganz laut gewesen droben, aber nur für kurze Zeit. Sie hat Stimmen gehört, und dazwischen hat jemand laut gerufen, und gleich darauf war ihr, als ob oben in der Wohnung etwas über den Boden gerückt oder geschleift wird. Seitdem ist es still, geradezu totenstill. Dass es in der Wohnung auch einmal lauter zuging, daran ist die Schmidt gewöhnt, schon wegen dem Klavier und den vielen Besuchern, aber die Stille? Die ist ungewöhnlich, sagt sie.«
    Bertha Beer war am Ende ihrer Ausführungen angekommen und sah Huther erwartungsvoll an, auch Auguste Kölbl hatte aufgehört, an ihrer Tasche zu nesteln. Johann Huther wartete einen kurzen Augenblick, stand dann von seinem Stuhl auf und ging ins Nebenzimmer. Dort sprach er mit Erwin Weinbeck, dem jungen Kollegen, der ihm die beiden Damen ins Zimmer geführt hatte, und gab diesem den Auftrag, die paar Schritte die Neustadt hinauf zu gehen und nach dem Rechten zu sehen. Bertha Beer erklärte sich sofort bereit, mitzukommen, Huther hielt es für unmöglich, sie davon abzuhalten. Außerdem graute ihm vor dem Gedanken, diese Person auch nur eine weitere Minute in seinem Büro ertragen zu müssen. So machte sich der Kollege Weinbeck mit den beiden Damen im Gefolge auf den Weg. Er selbst nutzte die Zeit, sich endgültig seines Bauchschneidens zu entledigen und anschließend eine wohlverdiente Tasse Kaffee zu trinken. Es sollte die letzte in Ruhe getrunkene Tasse Kaffee dieses Tages werden, aber das konnte der Kriminaloberwachtmeister in diesem Augenblick noch nicht ahnen.

Donnerstag, 30 . März 1922 ,
Landshut, Neustadt,
Klavierlehrerin Clara Ganslmeier,
3 . 54  Uhr nachmittags
    »Clara! Clara, wo bist du?«
    »Ja, ich komme gleich!«
    Clara Ganslmeier hörte die Stimme der Mutter aus deren Schlafzimmer, blieb jedoch am Frisiertisch sitzen und machte keinerlei Anstalten, aufzustehen.
    Es hatte Zeit, die Mutter rief wegen jeder Kleinigkeit, sie konnte sich auch einmal gedulden.
    Vor ihr lagen mehrere kleine Schmuckschachteln, manche geöffnet, andere geschlossen.
    »Clara!«
    »Ich hab dich schon gehört, ich bin ja gleich bei dir!«
    Wenn sie in der Wohnung nur zu zweit waren, ließ sie in jüngster Zeit die Zimmertüren offen, da die Mutter Angst hatte, Clara könnte ihr Rufen sonst nicht hören.
    Hoffentlich wurde sie nicht so, wenn sie alt war. Eine Plage für jeden war die Mutter. Je älter und kränker sie wurde, umso schlimmer war es mit ihr.
    Clara hielt kurz inne und nahm die Smaragdohrringe aus der Schachtel. Sie betrachtete sich im Spiegel.
    Für ihr Alter hatte sie sich ganz gut gehalten. Trotzdem, lieber nicht so genau hinschauen, sonst sah man nur die Falten. Aber auch die jungen Dinger wurden alt, und wer wusste schon, ob sich die Thea so gut halten würde …
    Clara hatte da ihre Zweifel; zeigte sich bei Thea nicht schon ein kleiner bitterer Zug um den Mund, eine winzige Kerbe zwischen Nasenflügel und Mundwinkel? Und das in dem Alter!
    Clara betrachtete die Ohrringe, die waren immer wieder schön anzuschauen. Nach und nach hatte sie sie vom Vater geschenkt bekommen.
    »Meine kleine Prinzessin« hatte er sie immer genannt, nun war er schon vier Jahre

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