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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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sollen? Die ganze Hand hat sie mir auch zerkratzt, die Matz. Hätt ich mich da nicht wehren sollen? Da, schau her.«
    Er hielt Täuscher die blutende Hand hin.
    »Wenn die allweil so wild war, dann versteh ich schon, dass du gar so nasch warst auf die. Aber Spaß beiseite, ich bin dann in das Zimmer von der Alten. Dort hab ich mein Sacktuch aus der Hosentasche geholt und es ihr in den Mund gesteckt. Den letzten Zahn, den sie vorn noch gehabt hat, hab ich ihr eingedrückt, bevor ich sie hab ausschnaufen lassen.«
    Luck Schinder grinste über das ganze Gesicht. »Wenn s’ mich erwischt hätten, dann wärst du auch dran gewesen. Also sei lieber froh und dankbar, anstatt jetzt rumzujammern wie ein Waschweib.«
    »Und wenn sie gar nicht tot sind? Wenn s’ am Ende gar nur ohnmächtig waren? Mir ist’s grad, als ob sie wieder zum Leben kämen. Ich kann’s nicht glauben, dass sie nimmer sind. Das kannst doch so nicht gemacht haben.«
    »Du gefällst mir, da brauchst dich nicht kümmern – wenn ich was mach, dann g’scheit. Ich hab ihr den Knebel schon weit hinuntergesteckt. Die kommt nimmer zum Leben.« Dabei tat er mit Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand so, als schoppe er etwas einen Schlund mit den Fingern hinunter. »Das musst machen, geradeso wie du eine Gans stopfst. Und die andere, die hat ausgeblutet, das kannst mir glauben.«
    »Oh mein Gott, die werden auf mich kommen!«
    »Einen Dreck werden s’, wennst deine Bappn hältst und machst, was ich dir sag.«
    »Warum hast denn beide gleich umbringen müssen? Hättest nicht weglaufen können, dann wär alles noch, wie es war.«
    »Bist jetzt so blöd, oder tust nur so? Nix wär wie vorher, die Clara hat mich gesehen, da war klar, wer mich in die Wohnung gebracht hat. Die ist doch nicht blöd. Was soll da sein wie vorher. Keine andere Wahl hab ich gehabt! Geht das in deinen Schädel rein?«
    »Und den Schmuck? Hast den mitgenommen?«
    »Endlich eine g’scheite Frage! Das Gelumpe war im Sekretär. Das silberne Besteck und die Perlentasche waren in der Kammer. Eines darfst nicht vergessen, wir sitzen beide im selben Boot. Wenn wir zusammenhalten, kommen wir raus aus der Sache. Wenn nicht … bleibt’s an dir hängen. Keiner weiß, dass ich bei der Clara in der Wohnung war, und ich hab aufgepasst, dass mich auch keiner sieht. Also halt die Goschn. Wennst glaubst, du kannst mich reinlegen und verpfeifen, da musst schon früher aufstehen – ich hab jetzt schon zwei umgebracht, auf einen Dritten und Vierten kommt’s mir nimmer an. Und jetzt lass mir meine Ruhe, ich will schlafen.«
    Irgendwann später stand Luck auf, öffnete das Fenster im Abteil und warf das Messer aus dem Zug.
    Erst spätnachts, als sie im Zimmer im Bamberger Hof in München waren, packte Schinder alle Schmucksachen aus. Ein Schächtelchen nach dem anderen zog er aus seinen Taschen. Ganz zum Schluss holte er aus der Westentasche die Ohrringe mit dem grünen Smaragd und die beiden Fingerringe heraus. Er schleuderte sie achtlos auf den Tisch.
    »Steh nicht so dumm rum und glotz wie ein Schaf, die Ohrringe musst baden«, wies er Täuscher an. Der tat kreidebleich und zitternd, wie ihm geheißen wurde. Er legte den Schmuck in die Seifenschüssel und schüttete Wasser darüber. Das Wasser färbte sich rot vom Blut. Erschrocken fuhr er hoch: »Warum sind die so blutig?«
    »Warum wohl? Weil sie geblutet hat wie eine Sau. Ich war schon fast draußen zur Tür, da ist’s mir gerade noch zur rechten Zeit in den Sinn gekommen, dass sie noch ihren Schmuck dran hat, deine Clara. Da bin ich halt noch mal rein ins Zimmer und hab ihr die Brillantringe von den Fingern gezogen. Die Ohrringe, die hab ich ihr auch heruntergerissen. Da, wo sie jetzt ist, da braucht sie es nicht mehr. Aber weißt, was mich schon arg wurmt? Erst wie ich unten aus dem Haus raus bin, ist mir eingefallen, dass sie ihre Zähne mit dem ganzen Zahngold auch noch drin hatte. Wenn ich nicht schon herunten an der Haustür gestanden wäre, dann wär ich noch einmal hoch und hätt ihr die Zähne auch noch rausgetan, das kannst mir glauben. Aber sei’s drum, es ist, wie es ist.«

Montag, 19 . April 1926 ,
Zuchthaus Landau,
Strafgefangener Luck Schinder,
11 . 30  Uhr mittags
    Die Formalitäten dauerten unendlich lang, das Aushändigen der Kleider, die ermahnende Ansprache des Anstaltsleiters. Und dann, endlich, bekam er seinen Entlassungsschein. Er faltete ihn und steckte ihn in die Jackentasche.
    Seine Hände waren feucht vor

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