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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Nähe immerfort haben und genießen z. B. christlicher Tscheche unter christlichen Tschechen.

      Das Hochzeitsreisepaar, das aus dem Hotel de Saxe trat. Am Nachmittag. Einwerfen der Karte in den Briefkasten. Zerdrückte Kleider, schlaffer Schritt, trüber lauer Nachmittag. Wenig charakteristische Gesichter für den ersten Blick.
      Das Bild der 300 jährigen Romanowfeier in Jaroslawl an der Wolga. Der Car, die Princessinnen verdrießlich in der Sonne stehend nur eine zart, ältlich, schlaff, auf den Sonnenschirm gestützt, blickt vor sich hin. Der Tronfolger auf dem Arm des ungeheueren barhäuptigen Kosaken. – Auf einem andern Bild salutieren in der Ferne längst schon passierte Männer.

      Der Millionär auf dem Bild im Kino “Sklaven des Goldes”. Ihn festhalten! Die Ruhe, die langsame zielbewußte Bewegung, wenn notwendig rascher Schritt, Zucken des Armes. Reich, verwöhnt, eingelullt, aber wie er aufspringt wie ein Knecht, und das Zimmer in der Waldschenke untersucht in das er eingesperrt worden ist.
    2 (Juli 1913) Geschluchzt über dem Proceßbericht einer 23 jähr. Marie Abraham, die ihr fast 1/4 Jahre altes Kind Barbara wegen Not und Hunger erwürgte mit einer Männerkrawatte, die ihr als Strumpfband diente und die sie abband. Ganz schematische Geschichte.
      Das Feuer, mit dem ich im Badezimmer meiner Schwester ein komisches kinematographisches Bild darstellte. Warum kann ich das niemals Fremden gegenüber?

      Ich hätte niemals ein Mädchen geheiratet, mit dem ich ein Jahr lang in der gleichen Stadt gelebt hätte.
      3 (Juli 1913) Die Erweiterung und Erhöhung der Existenz durch eine Heirat. Predigtspruch. Aber ich ahne es fast.
      Wenn ich etwas sage verliert es sofort und endgiltig die Wichtigkeit, wenn ich es aufschreibe verliert es sie auch immer, gewinnt aber manchmal eine neue.
    Ein Band von goldenen Kügelchen um einen gebräunten Hals.

    19 VII 13
      Aus einem Hause traten vier bewaffnete Männer. Jeder hielt vor sich aufrecht eine Hellebarde. Hie und da wandte einer sein Gesicht zurück um zu sehen, ob der schon komme, um dessentwillen sie hier standen. Es war früh am Morgen, die Gasse war ganz leer.
    Was wollt Ihr also? Kommt! – Wir wollen nicht. Laß uns! –

      Dazu der innere Aufwand. Darum klingt einem die Musik aus dem Kaffeehaus so ins Ohr. Der Steinwurf wird sichtbar, von dem Elsa B. erzählte.

      Eine Frau sitzt am Spinnrocken. Ein Mann stößt mit einem Schwert, das in der Scheide steckt (er hält sie frei in der Hand) die Tür auf.
    M. Hier war er!
    F. Wer? Was wollt Ihr?

    M. Der Pferdedieb? Er ist hier versteckt. Leugne nicht! (Er schwingt das Schwert)
      F. (hebt den Spinnrocken zur Abwehr) Niemand war hier. Laßt mich!
    20 VII 13

      Unten auf dem Flusse lagen mehrere Boote, Fischer hatten ihre Angeln ausgeworfen, es war ein trüber Tag. Am Quaigeländer lehnten einige Burschen mit verschränkten Beinen.
      Als man zur Feier ihrer Abreise aufstand und die Champagnergläser hob, war schon Dämmerung. Die Eltern und einige Hochzeitsgäste begleiteten sie bis zum Wagen. Es

      21 VII (1913) Nicht verzweifeln, auch darüber nicht daß Du nicht verzweifelst. Wenn schon alles zuende scheint, kommen doch noch neue Kräfte angerückt, das bedeutet eben, daß Du lebst. Kommen sie nicht, dann ist hier alles zuende aber endgültig.

      Ich kann nicht schlafen. Nur Träume kein Schlaf. Heute habe ich im Traum ein neues Verkehrsmittel für einen abschüssigen Park erfunden. Man nimmt einen Ast, der nicht sehr stark sein muß, stemmt ihn schief gegen den Boden, das eine Ende behält man in der Hand setzt sich möglichst leicht darauf, wie im Damensattel, der ganze Zweig rast dann natürlich den Abhang hinab, da man auf dem Ast sitzt wird man mitgenommen und schaukelt behaglich in voller Fahrt auf dem elastischen Holz. Es findet sich dann auch eine Möglichkeit, den Zweig zum Aufwärtsfahren zu verwenden. Der Hauptvorteil liegt abgesehen von der Einfachheit der ganzen Vorrichtung darin, daß der Zweig dünn und beweglich wie er ist, er kann ja gesenkt und gehoben werden nach Bedarf überall durchkommt, wo selbst ein Mensch allein schwer durchkäme
    Durch das Parterrefenster eines Hauses an einem um den Hals gelegten Strick hineingezogen und ohne Rücksicht wie von einem der nicht acht gibt, blutend und zerfetzt, durch alle Zimmerdecken, Möbel, Mauern und Dachböden hinaufgerissen werden, bis oben auf dem Dach die leere Schlinge erscheint, die meine Reste

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