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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Kutscher mit den Pferden kriechen.
      Die abbröckelnden Kräfte während der Schlittenfahrt. Man kann ein Leben nicht so einrichten wie ein Turner den Handstand

      Merkwürdiger, geheimnisvoller, vielleicht gefährlicher, vielleicht erlösender Trost des Schreibens: das Hinausspringen aus der Totschlägerreihe Tat – Beobachtung, Tat – Beobachtung, indem eine höhere Art der Beobachtung geschaffen wird, eine höhere, keine schärfere, und je höher sie ist, je unerreichbarer von der “Reihe” aus, desto unabhängiger wird sie, desto mehr eigenen Gesetzen der Bewegung folgend, desto unberechenbarer, freudiger, steigender ihr Weg.

      Trotzdem ich dem Hotel deutlich meinen Namen geschrieben habe, trotzdem auch sie mir zweimal schon richtig geschrieben haben, steht doch unten auf der Tafel Josef K. Soll ich sie aufklären oder soll ich mich von ihnen aufklären lassen?
    28 (Januar 1922) Ein wenig bewußtlos müde vom Rodeln, es gibt noch Waffen, so selten angewendet, ich dringe so schwer zu ihnen vor, weil ich die Freude an ihrem Gebrauch nicht kenne, als Kind nicht gelernt habe. Ich habe sie nicht nur “aus V.‘s Schuld” nicht gelernt, sondern auch deshalb weil ich ja die “Ruhe” zerstören, das Gleichgewicht stören wollte und deshalb nicht drüben jemanden neugeboren werden lassen durfte, wenn ich ihn hüben zu begraben mich anstrengte. Freilich komme ich auch hier zur “Schuld”, denn warum wollte ich aus der Welt hinaus? Weil “er” mich in der Welt, in seiner Welt nicht leben ließ. So klar darf ich es jetzt allerdings nicht beurteilen, denn jetzt bin ich schon Bürger in dieser andern Welt, die sich zur gewöhnlichen Welt verhält wie die Wüste zum ackerbauenden Land (ich bin 40 Jahre aus Kanaan hinausgewandert), sehe als Ausländer zurück, bin freilich auch in jener andern Welt – das habe ich als Vatererbschaft mitgebracht – der Kleinste und Ängstlichste und bin dort nur kraft der besondern dortigen Organisation lebensfahig, nach welcher es dort auch für die Niedrigsten blitzartige Erhöhungen allerdings auch meerdruckartige tausendjährige Zerschmetterungen gibt. Muß ich trotzallem nicht dankbar sein? Hätte ich den Weg hierher finden müssen? Hätte ich nicht durch die “Verbannung” dort verbunden mit der Abweisung hier an der Grenze erdrückt werden können? Ist nicht durch V.‘s Macht die Ausweisung so stark gewesen, daß ihr (nicht mir) nichts widerstehen konnte? Freilich, es ist wie die umgekehrte WCistenwanderung mit den fortwährenden Annäherungen an die Wüste und den kindlichen Hoffnungen: (besonders hinsichtlich der Frauen) “ich bleibe doch vielleicht in Kanaan” und inzwischen bin ich schon längst in der Wüste und es sind nur Visionen der Verzweiflung besonders in jenen Zeiten, in denen ich auch dort der Elendeste von allen bin und Kanaan sich als das einzige Hoffnungsland darstellen muß, denn ein drittes Land gibt es nicht für die Menschen.
    29 (Januar 1922) Angriffe auf dem Weg im Schnee am Abend. Immer die Vermischung der Vorstellungen etwa so: In dieser Welt wäre die Lage schrecklich, hier allein in Sp., überdies auf einem verlassenen Weg, auf dem man im Dunkel im Schnee fortwährend ausgleitet, überdies ein sinnloser Weg ohne irdisches Ziel (zur Brücke? Warum dorthin? Außerdem habe ich sie nicht einmal erreicht), überdies auch ich verlassen im Ort, (den Arzt kann ich nicht als menschlich persönlichen Helfer rechnen, ich habe mir ihn nicht verdient, habe im Grunde nur die Honorarbeziehung zu ihm), unfähig mit jemandem bekannt zu werden, unfähig eine Bekanntschaft zu ertragen, im Grunde voll endlosen Staunens vor einer heiteren Gesellschaft (hier im Hotel ist allerdings nicht viel Heiteres, ich will nicht soweit gehn zu sagen, daß ich die Ursache dessen bin, etwa als “der Mann mit dem allzu großen Schatten” aber mein Schatten ist in dieser Welt tatsächlich allzu groß, und mit neuem Staunen sehe ich die Widerstandsfähigkeit mancher Menschen dennoch “trotz allem” auch in diesem Schatten, gerade in ihm leben zu wollen; aber hier kommt doch noch anderes hinzu, wovon noch zu reden ist) oder gar vor Eltern mit ihren Kindern überdies nicht nur hier so verlassen sondern überhaupt, auch in Prag meiner “Heimat” undzwar nicht von den Menschen verlassen, das wäre nicht das Schlimmste, ich könnte ihnen nachlaufen, solange ich lebe, sondern von mir in Beziehung auf die Menschen, von meiner Kraft in Beziehung auf die Menschen, ich habe

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