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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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die Herren in Einzelheiten einer Sache, an der ihnen doch wirklich nicht viel liegen kann, ein wenig unrichtig informiert worden sind”
      “Wohl gesprochen” sagte der Senator, führte Karl vor den sichtlich teilnehmenden Kapitän und sagte “Habe ich nicht einen prächtigen Neffen? “

      “Ich bin glücklich” sagte der Kapitän mit einer Verbeugung wie sie nur militärisch geschulte Leute zu stande bringen “Ihren Neffen, Herr Senator, kennen gelernt zu haben. Es ist eine besondere Ehre für mein Schiff, daß es den Ort eines solchen Zusammentreffens abgeben konnte. Aber die Fahrt im Zwischendeck war wohl sehr arg, ja wer kann das wissen wer da mit geführt wird. Einmal ist z. B. auch der Erstgeborene des obersten ungarischen Magnaten, der Name und der Grund der Reise ist mir schon entfallen, in unserem Zwischendeck gefahren. Ich habe es erst viel später erfahren. Nun wir tun alles mögliche, den Leuten im Zwischendeck die Fahrt möglichst zu erleichtern, viel mehr z. B. als die amerikanischen Linien, aber eine solche Fahrt zu einem Vergnügen zu machen, ist uns allerdings noch immer nicht gelungen. “
    “Es hat mir nicht geschadet” sagte Karl.

      “Es hat ihm nicht geschadet! ” wiederholte laut lachend der Senator.
    Nur meinen Koffer fürchte ich verloren zu – Und damit erinnerte er sich an alles, was geschehen war und was noch zu tun übrig blieb sah sich um und erblickte alle Anwesenden stumm vor Achtung und Staunen auf ihren frühernPlätzen die Augen auf ihn gerichtet. Nur den Hafenbeamten sah man, soweit ihre strengen selbstzufriedenen Gesichter einen Einblick gestatteten, das Bedauern an, zu so ungelegener Zeit gekommen zu sein und die Taschenuhr die sie jetzt vor sich liegen hatten, war ihnen wahrscheinlich wichtiger als alles was im Zimmer vorgieng und vielleicht noch geschehen konnte.
      Der erste welcher nach dem Kapitän seine Anteilnahme aussprach, war merkwürdigerweise der Heizer. “Ich gratuliere Ihnen herzlich” sagte er und schüttelte Karl die Hand, womit er auch etwas wie Anerkennung ausdrücken wollte. Als er sich dann mit der gleichen Ansprache auch an den Senator wenden wollte, trat dieser jedoch zurück, als überschreite der Heizer damit seine Rechte; der Heizer ließ auch sofort ab.
      Die übrigen aber sahen jetzt ein, was zu tun war und bildeten gleich um Karl und den Senator einen Wirrwarr. So geschah es, daß Karl sogar eine Gratulation Schubals erhielt, annahm und für sie dankte. Als letzte traten in der wieder entstandenen Ruhe die Hafenbeamten hinzu und sagten zwei englische Worte, was einen lächerlichen Eindruck machte.

      Der Senator war ganz in der Laune, um das Vergnügen vollständig auszukosten, nebensächlichere Momente sich und den andern in Erinnerung zu bringen, was natürlich von allen nicht nur geduldet, sondern mit Interesse hingenommen wurde. So machte er darauf aufmerksam, daß er sich die in dem Brief der Köchin erwähnten hervorstechendsten Erkennungszeichen Karls in sein Notizbuch zu möglicherweise notwendigen augenblicklichen Gebrauch eingetragen hatte. Nun hatte er während des unerträglichen Geschwätzes des Heizers zu keinem andern Zweck, als um sich abzulenken, das Notizbuch herausgezogen und die natürlich nicht gerade detektivisch richtigen Beobachtungen der Köchin mit Karls Aussehn zum Spiel in Verbindung zu bringen gesucht. “Und so findet man seinen Neffen” schloß er in einem Tone, als wolle er noch einmal Gratulationen bekommen.

      “Was wird jetzt dem Heizer geschehn?” fragte Karl, vorbei an der letzten Erzählung des Onkels. Er glaubte in seiner neuen Stellung, alles was er dachte auch aussprechen zu können.
    “Dem Heizer wird geschehn, was er verdient” sagte der Senator “und was der Herr Kapitän erachtet. Ich glaube wir haben von dem Heizer genug und bergenug, wozu mir jeder der anwesenden Herren sicher zustimmen wird. “
      “Darauf kommt es doch nicht an, bei einer Sache der Gerechtigkeit” sagte Karl. Er stand zwischen dem Onkel und dem Kapitän und glaubte vielleicht durch diese Stellung beeinflußt die Entscheidung in der Hand zu haben.
    Und trotzdem schien der Heizer nichts mehr für sich zu hoffen. Die Hände hielt er halb in den Hosengürtel, der durch seine aufgeregten Bewegungen mit Streifen eines gemusterten Hemdes zum Vorschein gekommen. Das kümmerte ihn nicht im geringsten, er hatte sein ganzes Leid geklagt, nun sollte man auch noch die paar Fetzen sehn, die er am Leibe trug

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