Tagebücher 1909-1923
diesen Schubal vollständig zu begraben, aber was er dem Kapitän vorzeigen konnte, war nur ein trauriges Durcheinanderstrudeln aller insgesamt. Längst schon pfiff der Herr mit dem Bambusstöckchen schwach zur Decke hinauf, die Herren von der Hafenbehörde hielten schon den Officier an ihrem Tisch und machten keine Miene ihn je wieder loszulassen, der Oberkassier wurde sichtlich nur durch die Ruhe des Kapitäns vor dem Dreinfahren zurückgehalten, wonach es ihn juckte. Der Diener erwartete in Habtachtstellung jeden Augenblick einen auf den Heizer bezüglichen Befehl seines Kapitäns.
Da konnte Karl nicht mehr untätig bleiben. Er gieng also langsam zu der Gruppe hin und überlegte im Gehn nur desto schneller, wie er die Sache möglichst geschickt angreifen könnte. Es war wirklich höchste Zeit, noch ein kleines Weilchen nur und sie konnten ganz gut beide aus dem Bureau fliegen. Der Kapitän mochte ja ein guter Mann sein und überdies gerade jetzt, wie es Karl schien, einen besondern Grund haben, sich als gerechter Vorgesetzter zu zeigen, aber schließlich war er kein Instrument, das man in Grund und Boden spielen konnte – und gerade so behandelte ihn der Heizer, allerdings aus seinem grenzenlos empörten Inneren heraus.
Karl sagte also zum Heizer "Sie müssen das einfacher erzählen, klarer, der Herr Kapitän kann das nicht würdigen so wie Sie es ihm erzählen. Kennt er denn alle Maschinisten und Laufburschen bei Namen, oder gar beim Taufnamen, daß er, wenn sie nur einen solchen Namen aussprechen gleich wissen kann, um wen es sich handelt. Ordnen sie doch Ihre Beschwerden, sagen sie die Wichtigste zuerst und absteigend die
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andern vielleicht wird es dann überhaupt nicht mehr nötig sein, die meisten auch nur zu erwähnen. Mir haben Sie es doch immer so klar dargestellt. " Wenn man in Amerika Koffer stehlen kann, kann man auch hie und da lügen, dachte er zur Entschuldigung.
Wenn es aber nur geholfen hätte! Ob es nicht auch schon zu spät war? Der Heizer unterbrach sich zwar sofort, als er die bekannte Stimme hörte, aber mit seinen Augen, die ganz von Tränen, der beleidigten Mannesehre, der schrecklichen Erinnerungen, der äußersten gegenwärtigen Not verdeckt waren, konnte er Karl schon nicht einmal gut mehr erkennen. Wie sollte er auch jetzt, Karl sah das schweigend vor dem jetzt Schweigenden wohl ein, wie sollte er auch jetzt plötzlich seine Redeweise ändern, da es ihm doch schien, als hätte er alles was zu sagen war ohne die geringste Anerkennung schon
vorgebracht und als habe er andererseits noch gar nichts gesagt und könne doch den Herren jetzt nicht zumuten, noch alles anzuhören. Und in einem solchen Zeitpunkt kommt noch Karl sein einziger Anhänger daher, will ihm gute Lehren geben, zeigt ihm aber statt dessen, daß alles alles verloren ist.
Wäre ich früher gekommen, statt aus dem Fenster zu schauen sagte sich Karl, senkte vor dem Heizer das Gesicht und schlug die Hände an die Hosennaht zum Zeichen des Endes jeder Hoffnung.
Aber der Heizer mißverstand das, witterte wohl in Karl irgendwelche geheime Vorwürfe gegen sich und in der guten Absicht sie ihm auszureden fieng er zur Krönung seiner Taten mit Karl jetzt zu streiten an. Jetzt, wo doch die Herren am runden Tisch längst empört über den nutzlosen Lärm waren, der ihre wichtigen Arbeiten störte, wo der Hauptkassier allmählich die Geduld des Kapitäns unverständlich fand und zum sofortigen Ausbruch neigte, wo der Diener ganz wieder in der Sphäre seiner Herrn den Heizer mit wildem Blicke maß und wo endlich der Herr mit dem Bambusstöckchen, zu welchem sogar der Kapitän hie und da freundschaftlich hinübersah schon
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gänzlich abgestumpft gegen den Heizer ja von ihm angewidert, ein kleines Notizbuch hervorzog und offenbar mit ganz andern Angelegenheiten beschäftigt die Augen zwischen dem Notizbuch und Karl hin- und her wandern ließ.
Ich weiß ja, ich weiß ja sagte Karl der Mühe hatte den jetzt gegen ihn gekehrten Schwall des Heizers abzuwehren trotzdem aber quer durch allen Streit noch ein Freundeslächeln für ihn übrig hatte. Sie haben recht, recht, ich habe ja nie daran gezweifelt. Er hätte ihm gern die herumfahrenden Hände aus Furcht vor Schlägen gehalten, noch lieber allerdings ihn in einen Winkel gedrängt um ihm ein paar leise beruhigende Worte zuzuflüstern, die niemand sonst hätte hören müssen. Aber der Heizer war außer Rand und Band. Karl begann jetzt schon sogar aus dem Gedanken eine Art
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