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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Liman müsse nur befehlen und er werde sofort hingeführt werden, es sei ganz in der Nähe er werde keinen Zeitverlust haben und der Preis sei aus Gefälligkeit und da es sich ja doch um einen Ersatz handle ganz besonders niedrig, wenn auch das Essen nach Wiener Recepten womöglich noch besser, und die Bedienung noch sorgfältiger sei als in dem frühernin mancher Beziehung doch unzureichendem Hotel Kingston.
    "Danke" sagte Liman und stieg dabei in den Wagen. "Ich bleibe in Konstantinopel nur 5 Tage, für diese Zeit werde ich mich doch nicht in einer Privatwohnung einrichten, nein ich fahre in ein Hotel. Nächstes Jahr aber, wenn ich wiederkomme und ihr Hotel wieder aufgebaut ist, werde ich gewiß nur bei ihnen absteigen. Erlauben Sie!" Und Liman wollte die Wagentüre zuziehn, deren Klinke nun der Vertreter des Hotels ergriffen hatte. "Herr! " sagte dieser bittend und sah zu Liman auf.
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    "Loslassen! " rief Liman, rüttelte an der Tür und gab dem Kutscher den Befehl: "Ins Hotel Royal." Aber sei es daß der Kutscher ihn nicht verstand, sei es daß er auf das Schließen der Türe wartete, jedenfalls saß er auf seinem Bock wie eine Statue.
    Der Vertreter des Hotels aber, ließ die Tür durchaus nicht los, ja er winkte sogar seinen Kollegen eifrig zu, sich doch zu rühren und ihm zur Hilfe zu kommen. Besonders von irgendeinem Mädchen erhoffte er viel und rief immer wieder "Fini! also Fini!
    Wo ist denn Fini?" Die Leute an den Fenstern und in der Türe hatten sich in das Innere des Hauses gewendet, sie riefen durcheinander, man sah sie an den Fenstern vorüberlaufen alle suchten Fini
    Liman hätte wohl den Mann, der ihn am Wegfahren hinderte und dem offenbar nur der Hunger den Mut zu einem solchen Benehmen gab, mit einem Stoß von der Tür entfernen können, –
    das sah der Mann auch ein und wagte deshalb gar nicht Liman anzusehn – aber Liman hatte auf seinen Reisen schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht, um nicht zu wissen, wie wichtig es ist, in der Fremde und sei man noch so sehr im Recht jedes Aufsehen zu vermeiden, er stieg deshalb ruhig nochmals aus dem Wagen, ließ vorläufig den Mann, der krampfhaft die Türe hielt, unbeachtet, gieng zum Kutscher, wiederholte ihm seinen Auftrag, gab ihm noch ausdrücklich den Befehl rasch von hier wegzufahren, trat dann zu dem Mann an der Wagentüre, faßte seine Hand scheinbar mit gewöhnlichem Griff, drückte sie aber im Gehe imen so stark im Gelenk, daß der Mann mit dem Schrei "Fini" der gleichzeitig Befehl und Ausbruch seines Schmerzes war fast aufsprang und die Finger von der Klinke löste.
    "Sie kommt schon! Sie kommt schon! " rief es da von allen Fenstern und ein lachendes Mädchen die Hände noch an der knapp fertig gewordenen Frisur, lief mit halb geneigtem Kopf aus dem Hause auf den Wagen zu. "Rasch! In den Wagen! Es gießt ja" rief sie, indem sie Liman an den Schultern faßte und ihr
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Gesicht ganz nahe an seines hielt. "Ich bin Fini" sagte sie dann leise und ließ die Hände streichelnd seine Schultern entlang fahren.
    "Man meint es ja nicht gerade schlecht mit mir" sagte sich Liman und sah lächelnd das Mädchen an "schade daß ich kein Junge mehr bin und mich auf unsichere Abenteuer nicht einlasse. " "Es muß ein Irrtum sein, Fräulein" sagte er und wandte sich seinem Wagen zu "ich habe sie weder rufen lassen, noch beabsichtige ich mit ihnen wegzufahren." Vom Wagen aus fügte er noch hinzu: Bemühen Sie sich nicht weiter.
    Aber Fini hatte schon einen Fuß auf das Trittbrett gesetzt und sagte die Arme ber ihrer Brust gekreuzt: "Warum wollen Sie sich denn von mir nicht eine Wohnung empfehlen lassen?"
    Müde der Belästigungen, die er hier schon ausgestanden hatte, sagte Liman sich zu ihr herausbeugend: "Halten Sie mich bitte nicht länger mit unnützen Fragen auf! Ich fahre ins Hotel und damit genug. Geben Sie Ihren Fuß vom Trittbrett herunter, sonst kommen Sie in Gefahr. Vorwärts Kutscher! " "Halt" rief aber das Mädchen und wollte sich nun ernstlich in den Wagen schwingen. Liman stand kopfschüttelnd auf und verstellte mit seiner gedrungenen Gestalt die ganze Tür. Das Mädchen suchte ihn fortzustoßen und gebrauchte hiezu auch den Kopf und die Knie, der Wagen fieng auf seinen elenden Federn zu schaukeln an, Liman hatte keinen rechten Halt: Warum wollen Sie mich denn nicht mitnehmen? Warum wollen Sie mich denn nicht mitnehmen? wiederholte das Mädchen immerfort. Gewiß wäre es Liman gelungen, das allerdings kräftige Mädchen

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