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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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verstehe mich allerdings nicht und nicht etwa nur in dieser Sache. Später fragte sie mich, ob ich dem Onkel Alfred schreiben werde, er verdiene es, daß ich ihm schreibe. Ich fragte, wodurch er es verdiene. Er hat telegraphiert, er hat geschrieben, er meint es so gut mit Dir. "Das sind nur Äußerlichkeiten" sagte ich "er ist mir ganz fremd, er mißversteht mich vollständig, er weiß nicht, was ich will und brauche, ich habe nichts mit ihm zu tun. " "Also keiner versteht Dich" sagte die Mutter "ich bin Dir wahrsche inlich auch fremd, und der
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    Vater auch. Wir alle wollen also nur Dein Schlechtes." "Gewiß Ihr seid mir alle fremd, nur die Blutnähe besteht, aber sie äußert sich nicht. Mein Schlechtes wollt Ihr gewiß nicht. "
    Durch dieses und durch einige andere Selbstbeobachtungen bin ich dazu geführt worden, daß in meiner immer größer werdenden innern Bestimmtheit und
    Überzeugtheit
    Möglichkeiten liegen, in einer Ehe trotz allem bestehen zu können, ja sie sogar zu einer für meine Bestimmung vorteilhaften Entwicklung zu führen. Es ist das allerdings ein Glaube, den ich gewissermaßen schon auf der Fensterkante fasse.
    Ich werde mich bis zur Besinnungslosigkeit von allen absperren. Mit allen mich verfeinden, mit niemandem reden. –
    Der Mann mit den dunklen, streng blickenden Augen, der den Haufen alter Mäntel auf der Achsel trug.
    Leopold S. großer starker Mann, ungelenke ziehende Bewegungen, lose hängende, faltige, schwarzweiß karrierte Kleider eilt durch die Tür rechts in das große Zimmer, schlägt in die Hände und ruft Felice! Felice! Ohne einen Augenblick auf den Erfolg seines Rufens zu warten, eilt er zur Mitteltür, die er, wieder Felice rufend, öffnet.
    Felice S. tritt durch die linke Tür ein, bleibt an der Türe stehn, 40 jährige Frau in Küchenschürze
    Hier bin ich schon Leo. Wie Du nervös geworden bist in der letzten Zeit! Was willst Du denn?
    Leopold. dreht sich mit einem Ruck um, bleibt dann stehn und nagt an den Lippen
    Nun also! Komm doch her! (er geht zum Kanapee)
    F. (rührt sich nicht) Schnell! Was willst Du? Ich muß doch in die Küche.
    L. (vom Kanapee aus) Laß die Küche! Komm her! Ich will Dir etwas Wichtiges sagen. Es steht dafür. Komm doch!
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    F. (geht langsam hin, zieht die Tragbänder der Schürze in die Höhe)
    Nun was ist es denn so Wichtiges? Wenn Du mich zum Narren hältst, bin ich bös, aber ernstlich. (Bleibt vor ihm stehn) L. Also setz Dich doch!
    F. Und wie wenn ich nicht will.
    L. Dann kann ich es Dir nicht sagen. Ich muß Dich nahe bei mir haben.
    F. Nun sitze ich also schon.
    21 VIII 13
    Ich habe heute Kierkegaard Buch des Richters bekommen.
    Wie ich es ahnte, ist sein Fall trotz wesentlicher Unterschiede dem meinen sehr ähnlich zumindest liegt er auf der gleichen Seite der Welt. Er bestätigt mich wie ein Freund. Ich entwerfe folgenden Brief an den Vater, den ich morgen wenn ich die Kraft habe, wegschicken will.
    Sie zögern mit der Beantwortung meiner Bitte, das ist ganz verständlich, jeder Vater würde es jedem Bewerber gegenüber tun, das veranlaßt diesen Brief also ganz und gar nicht, äußersten Falls vergrößert es meine Hoffnung auf ruhige Würdigung dieses Briefes. Diesen Brief aber schreibe ich aus Furcht, daß Ihr Zögern oder Ihre Überlegung mehr allgemeine Gründe hat, als daß es, wie es allein notwendig wäre, von jener einzigen Stelle meines ersten Briefes ausgeht, die mich verraten konnte. Es ist dies die Stelle, die von der Unerträglichkeit meines Postens handelt.
    Sie werden vielleicht über dieses Wort hinweggehn, aber das sollen Sie nicht, Sie sollen vielmehr ganz genau danach fragen, dann müßte ich Ihnen genau und kurz folgendes antworten.
    Mein Posten ist mir unerträglich, weil er meinem einzigen Verlangen und meinem einzigen Beruf das ist der Litteratur widerspricht. Da ich nichts anderes bin als Litteratur und nichts
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    anderes sein kann und will, so kann mich mein Posten niemals zu sich reißen, wohl aber kann er mich gänzlich zerrütten.
    Davon bin ich nicht weit entfernt. Nervöse Zustände schlimmster Art beherrschen mich, ohne auszusetzen und dieses Jahr der Sorgen und Quälereien um meine und Ihrer Tochter Zukunft hat meine Widerstandlosigkeit vollständig erwiesen. Sie könnten fragen, warum ich diesen Posten nicht aufgebe und mich – Vermögen besitze ich nicht – nicht von litterarischen Arbeiten zu erhalten suche. Darauf kann ich nur die erbärmliche Antwort geben, daß ich nicht die

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