Tal der Träume
alten schwarzen Filzhut mit der Kakadufeder einmal abgesehen, ziemlich elegant wirkte.
Lucy führte sie in den Salon. »Er ist schwach, Maudie. Der Arzt sagt, der Speer hätte seine Lunge getroffen, und er hat eine Menge Blut verloren.«
»Also ein Speer! Gott im Himmel! Nimmt das denn nie ein Ende? Habt ihr die Polizei gerufen? Hat man die Schweine gefunden? Es ist jetzt drei Tage her, oder?«
Lucy seufzte. Sie wünschte, Maudie hätte zu Hause auf sie gewartet. Es tat ihr Leid, doch im Augenblick konnte sie diese überschwängliche Frau nicht ertragen … bis ihr die drohende Abreise ihrer Mutter einfiel.
»Er braucht absolute Ruhe, Maudie«, sagte sie warnend. »Mutter hat sich wunderbar verhalten.«
»Warum auch nicht? Er ist ihr Mann.«
Lucy schloss die Tür. »Hör bitte gut zu. Es tut mir Leid, dass du warten musstest, ich dachte, irgendjemand hätte dir Bescheid gegeben. Vermutlich wäre es an mir gewesen, dafür möchte ich mich entschuldigen. Aber ich bin froh, dass du gekommen bist. Sprich bitte mit Mutter.«
»Worüber denn?«
»Du wirst es nicht glauben: Sie will Daddy verlassen.«
»Wieso? Was hat er ihr denn getan?«
»Nichts. Er liebt sie doch, das weißt du! Sie hat einfach entschieden, dass sie nicht mehr hier leben möchte. Sie zieht nach Perth.«
Maudie nahm den Hut ab und ließ ihn auf ein Sofa fallen. »Leute gehen nicht ohne Grund weg. Irgendetwas muss vorgefallen sein.«
»Eben, aber sie sagt, es sei nichts geschehen. Sie will einfach weg, um in Perth zu leben. Sie sagt, sie sei das Leben auf der Station leid.«
»Sie verlässt also ihren Ehemann? Und dich? Grundlos? Ich meine, ich kenne Frauen, die abgehauen sind und denen ich das nicht übel nehme. Wurden von ihren Männern geprügelt und hungerten auf ärmlichen Anwesen, die nichts abwarfen, aber das sind keine Entschuldigungen, die Sibell vorbringen könnte. Was ist nur in sie gefahren?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn du in Ruhe mit ihr sprichst. Sie hat ihre ganzen Sachen gepackt. Alles.«
»Aber sie wird Zack doch wohl jetzt nicht im Stich lassen?«
»Nein, sie hat die Absicht, bis nach Weihnachten bei uns zu bleiben.«
»Wie großzügig. Wo ist sie?«
»Ich glaube, in der Küche. Aber sei behutsam, Maudie, ich streite schon seit Tagen mit ihr …«
Lucy hätte ebenso gut gegen die Wand reden können. Maudie marschierte zur Tür hinaus und in die Diele. Dort rief sie nach Sibell. Ihre Schwägerin kam herbeigeeilt. »Psst, Maudie, bitte. Zack schläft gerade. Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Er wird sich freuen, dich zu sehen.«
»Ich musste kommen. Ich dachte schon, ihr wärt ohne mich in die Stadt gefahren.«
»Das würden wir niemals tun. Wir mussten auf Zack warten, und dann ist diese schreckliche Sache passiert.«
»Aber er wird doch wieder gesund, oder? Lucy macht sich große Sorgen.«
»Ja, das sagt der Arzt jedenfalls. Er kommt morgen wieder her.«
»Gut. Und was soll das nun mit deiner Abreise?«
»Maudie. Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich lieber ein anderes Mal darüber sprechen.«
»Es macht mir aber etwas aus. Ich habe ein Recht zu wissen, was vorgeht. Setz dich hin und sag mir, was los ist.«
Nachdem Sibell auf einem Stuhl in der Diele Platz genommen hatte, setzte sich Maudie daneben und hob die Röcke, um ihre Reitstiefel auszuziehen.
»Also?«
»Es gibt nicht viel zu sagen, aber wenn du es unbedingt wissen willst: Ich gehe fort. Ich kann das Leben auf der Station nicht mehr ertragen.«
»Was ist denn so schlimm daran? Du hast verdammtes Glück, hier zu leben. Hunderte von Frauen würden ihre rechte Hand dafür geben, auf einem solchen Anwesen zu wohnen. Und mit einem liebevollen Mann wie Zack.«
»Das weiß ich. Aber wenn du meine Antwort hören willst, solltest du mich ausreden lassen. Maudie, du bist im Busch geboren und hast dich hier immer wohl gefühlt, aber ich kann es einfach nicht mehr. Ich habe versucht, es Zack und Lucy zu erklären. Ich kann mich über nichts beschweren, doch darum geht es nicht. Ich möchte nicht mehr hier draußen leben. Ich will in die Stadt …«
Sie fuhr in ihren Erklärungen fort, die für Maudie keinen Sinn ergaben, bis Sibell erwähnte, sie denke schon lange darüber nach und sei letztendlich zu dem Schluss gelangt, dass sie diesen Schritt im Bewusstsein ihres Alters jetzt oder nie tun müsse.
»Ha!«, rief Maudie, als habe sie alles durchschaut. »Die Wechseljahre, das ist alles. Du kommst in die
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