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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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den Anstand, sie selbst zu sagen, hatte er nicht gehabt.
    Und das Schlimmste von allem war: Ich kam mir schrecklich dumm vor. Seine Fähigkeiten beim Beobachten und seine raffinierte Verhörtechnik waren mir früh aufgefallen – ich hatte sogar Tante Dimity seine Methode mit dem guten und dem bösen Bullen erklärt –, aber nicht einen Moment lang hatte ich den Verdacht gehegt, dass er selbst ein Bulle sein könnte. Auf hundert verschiedene Weisen hatte er Signale über seinen wahren Beruf ausgesandt, doch obwohl ich die einzelnen Puzzleteile gesehen hatte, war ich zu begriffsstutzig gewesen, um das Gesamtbild zusammenzusetzen.
    Ich hatte Nicholas vertraut, und im Gegenzug hatte er mich zum Narren gehalten. Wenn er nicht seinen Trenchcoat liegen gelassen hätte, wäre ich vielleicht versucht gewesen, in meinen Rover zu klettern und davonzubrausen, um mich zu Hause in meinen Schmollwinkel zu verkriechen.
    Doch den Blitz, der die Schulhausfenster erleuchtete, konnte ich nicht ignorieren. Und als ihm ein Donnerschlag und ein plötzlicher Platzregen folgten, riss ich mit einem gequälten Seufzer Nicholas’ schwarzen Mantel von der Stuhllehne, lief los und hielt in der Garderobe nur kurz an, um mir meine eigene Jacke zu schnappen.
    Ich entdeckte Nicholas sofort, eine einsame Gestalt, die sich im Licht eines weiteren Blitzes als Silhouette vor Mirandas Hecke abzeichnete.
    Trotz des strömenden Regens stand er regungslos da, den Kopf in den Händen verborgen.
    »Nicholas!« Schon rannte ich die Saint George’s Lane hinunter und erreichte ihn Sekunden später völlig außer Atem. »Du Dummkopf hast deinen Mantel vergessen!«
    Er ließ die Arme sinken, sagte jedoch nichts.
    Das Wasser strömte über sein Gesicht und weiter auf den mittlerweile durchnässten Tweedblazer, aber Nicholas machte keine Anstalten, mir den Trenchcoat abzunehmen.
    So warf ich ihm das Teil kurz entschlossen über die Schultern. »Hast du etwa vor, die ganze Nacht hier draußen zu stehen?« Ich funkelte ihn wütend an.

    Immer noch keine Reaktion.
    »Sag bloß, du versuchst jetzt noch schnell, dir eine Lungenentzündung zu holen!«, fauchte ich.
    »Du bist verrückt, wenn du glaubst, ich würde dich so davonkommen lassen!«
    Er gab immer noch keine Antwort, starrte aber mit einem Ausdruck derart abgrundtiefer Verzweiflung auf mich herunter, dass mein Zorn verpuffte und mich stattdessen ein beklommenes Gefühl überkam.
    »Nicholas?« Ich wischte ihm das Regenwasser aus dem Gesicht. »Nicholas, komm mit.«
    Ich nahm ihn wie ein Kind bei der Hand und führte ihn zum Pfarrhaus, wo uns niemand stö ren würde. Der Pfarrer verbrachte die Nacht bei Lilians Bruder, und Lilian war fürs Erste vollauf damit beschäftigt, Fragen über ihren Neffen zu beantworten. Und falls Peggy, Jasper und Harry noch mal zum Schulhaus zurückkehrten, würde sich die Sitzung sowieso noch stundenlang hinziehen.
    Nicholas folgte mir gehorsam wie ein Lamm.
    Im Flur warf ich unsere nassen Mäntel auf einen Stuhl, half ihm aus seinem Blazer und hielt ihn am Arm fest, während er sich die Schuhe auszog.
    Danach ließ er sich zum grünen Samtsofa im Bü ro des Pfarrers führen, wo ich zunächst im Kamin einschürte, ehe ich Nicholas die Haare trockenrubbelte und eine Decke um ihn wickelte.
    Kurz überlegte ich, ob ich Kakao kochen sollte, wollte Nicholas aber nicht zu lange allein lassen, sodass ich noch einmal ein Scheit im Kamin nachlegte und mich dann zu Nicholas aufs Sofa setzte.
    Eine ganze Weile ließ ich das Schweigen anhalten, bis ich schließlich mit Grabesstimme fragte: »Liegst du im Sterben?«
    Nicholas’ Lachen mündete in ein Schluchzen.
    Dann zog er die Hände unter der Decke hervor und wischte sich die Augen. »Ich mag vielleicht einen Nervenzusammenbruch gehabt haben, Lori, aber wie ein Sterbender sehe ich wohl nicht aus.«
    Ich sah fragend zu ihm auf. »Bist du wirklich Polizist?«
    »Ich weiß nicht, was ich jetzt bin. Aber eine Zeit lang habe ich tatsächlich im Rauschgiftdezernat als verdeckter Ermittler gearbeitet. Wie Miss Morrow so gerne betont, Auren lügen nicht.« Er blinzelte zum Feuer hinüber. »Keine Ahnung, warum sie mich nicht enttarnt hat.«
    »Du hast es doch gehört. Hexen können ihre Geheimnisse bewahren.« Ich senkte den Blick auf den fadenscheinigen türkischen Teppich.

    »Kannst du mir von diesem Nervenzusammenbruch erzählen?«
    Er beugte sich vor, wobei er die Decke fester um sich zog. Lange starrte er ohne zu blinzeln ins Feuer, ehe er

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