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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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konnte sein Gesicht in der Platte gespiegelt sehen, verkehrt herum. Vorteilhaft für ihn, dachte er.
    »Hast du Mats besucht?« fragte Ringmar. »In gewisser Hinsicht.« Ringmar sagte nichts. »Er ist tot«, sagte Winter.
    Bertil Ringmar umklammerte die Tasse. Er spürte eine Mischung aus Kälte und Wärme, aber er ließ nicht los.
    »Es war eine schöne Feier«, erzählte Winter. »Ich wußte gar nicht, daß er so viele Freunde hatte. Er hatte nur einen Verwandten, aber er hatte viele Freunde.«
    Ringmar sagte nichts.
    »Ich hatte erwartet, vor allem Männer in der Kirche zu sehen, aber es waren auch viele Frauen da«, sagte Winter. »Es waren wohl sogar vor allem Frauen.«
    Ringmar blickte durch das Fenster auf etwas hinter Winter, und er riet, daß es der Kirchturm war.
    »Es ist eine verfluchte Krankheit«, sagte Ringmar und sah Winter an. »Du hättest anrufen können, wenn du gewollt hättest.«
    »Mitten in deinem Gran-Canaria-Urlaub? Mats war ein guter Freund, aber ich habe die Trauerarbeit selbst bewältigt. Oder fange jetzt damit an«, sagte Winter.
    Sie saßen stumm da und lauschten den
    Maschinengeräuschen.
    »Es sind mehrere Krankheiten«, sagte Winter nach einer Weile. »Am Ende war es die Lungenentzündung, an der Mats gestorben ist.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Ja.«
    »Er hatte den Scheiß schon lange.« »Ja.«
    »Verdammt.«
    »Einen Moment glaubte ich, daß er glaubte, er könne es schaffen.«
    »Hat er das zu dir gesagt?«
    »Nein. Aber ich habe es so aufgefaßt, daß er es einen Moment lang dachte. Der Wille kann genügen, wenn alles andere sich verabschiedet hat. Ein paar Minuten glaubte ich auch daran.«
    »Ja.«
    »Dann nahm er die kollektive Schuld auf sich. Danach war Schluß.«
    »Hast du nicht gesagt, er hätte davon gesprochen, daß er Polizist werden wollte? Als er jung war?«
    »Hab' ich das gesagt?«
    »Ich glaube schon.«
    Winter strich sich das Haar aus der Stirn. Er hielt in der Bewegung inne, die Hand um die dicken Strähnen im Nacken gelegt.
    »Vielleicht damals, als ich mit der Polizeischule anfing«, sagte er. »Oder als ich davon sprach, es zu versuchen.«
    »Vielleicht.«
    »Das ist ein Weilchen her.«
    »Ja.«
    Es rüttelte im Schiffsrumpf, als wäre er im Sund eingeschlafen und nun in seiner Ruhe gestört worden. Die Leute sammelten ihre Habseligkeiten ein und schlossen die Mäntel fester vor dem Aussteigen.
    »Er wäre ja willkommen gewesen«, sagte Ringmar und blickte auf Winters Ellenbogen. Winter ließ seine Haare los und legte die Hände auf die Tischplatte.
    »Ich habe gelesen, daß sie in England per Annonce homosexuelle Polizisten suchen«, sagte Ringmar.
    »Sind das homosexuelle Polizisten, die sie für neue Stellen haben wollen, oder sind es Schwule, die sie zu Polizisten ausbilden wollen?« fragte Winter.
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Entschuldigung.«
    »Die kulturelle Vielfalt ist in England weiter entwickelt«, fuhr Ringmar fort. »Es ist eine rassistische und sexistische Gesellschaft, aber man sieht ein, daß man auch bei der Polizei verschiedene Sorten von Menschen braucht.«
    »Ja.«
    »Vielleicht bekommen wir auch bei uns einen Schwulen.«
    »Meinst du nicht, daß wir den schon haben?«
    »Einen, der es wagt, dazu zu stehen.«
    »Wäre ich schwul, würde ich dazu stehen, nach dem, was ich heute erlebt habe«, sagte Winter.
    »Mhm.«
    »Vielleicht auch vorher. Ja, das glaube ich.« »Ja.«
    »Es ist falsch, sich herauszuhalten. Es ist nichts anderes, als an einer verdammten gemeinsamen Schuld zu tragen. Auch du trägst eine Schuld«, sagte Winter und sah den Kollegen an.
    »Ja«, sagte Ringmar, »ich bin voller Schuld.«
    Die Gesellschaft an den großen Fenstern sah wieder aus, als wolle sie ein kleines Lied an die Freiheit anstimmen, wenn sie nur nicht so vom Dasein bedrückt gewesen wäre. Die Fähre passierte einen Leuchtturm. Winter schaute durchs Fenster.
    »Was hältst du davon, an Deck zu gehen und die Stadt zu begrüßen«, sagte er.
    »Draußen ist es kalt«, sagte Ringmar.
    »Ich glaube, ich brauche das.«
    »Ich verstehe.«
    »Wirklich?«
    »Stell meine Geduld nicht auf die Probe, Erik.«
    Der Tag war ältlich und grau. Das Autodeck schimmerte stumpf wie Kohle. Die Felsen um den Schiffsrumpf hatten die gleiche Farbe wie der Himmel. Es ist gar nicht leicht zu sagen, wo das eine aufhört und das andere anfängt, dachte Winter. Plötzlich ist man im Himmel, ohne es zu wissen. Ein Sprung von der Klippe, und schon ist man da.
    Als sie unter

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