Tanz mit dem Schafsmann
Sie rief an, wenn sie Lust hatte, vorbeizukommen und die Nacht mit mir zu verbringen. Sie war die Einzige, auf die ich mich jemals eingelassen hatte. Wir wussten beide, dass diese Art von Beziehung zu nichts führte. Es war wie eine Art Gnadenfrist des Lebens, die wir miteinander teilten. Seit langer Zeit kehrte wieder Frieden in meine Seele ein. Wir schmusten und wisperten miteinander. Ich kochte für sie, wir tauschten Geburtstagsgeschenke aus. Wir gingen in Jazzclubs und tranken Cocktails. Wir stritten nicht, kein einziges Mal. Jeder wusste genau, was er von dem anderen wollte. Und so endete es auch. Eines Tages hörte es ganz plötzlich auf, wie ein Film, der von der Spule hopst.
Ich empfand eine unerwartete Leere, nachdem sie fortgegangen war. Eine Weile fühlte ich mich ganz hohl. Denn schließlich war es nie ich, der fortging, sondern es waren stets die anderen. Immer wieder werde ich verlassen, um mit einer verlängerten Galgenfrist zurückzubleiben. Ein unwirkliches Leben, das dennoch real ist.
Doch das war nicht der Hauptgrund für mein Gefühl der Leere.
Das eigentliche Problem war, dass ich sie nicht wirklich begehrt hatte. Ich mochte sie, war gern mit ihr zusammen. Wenn sie bei mir war, verbrachten wir eine angenehme Zeit. Sie weckte in mir zärtliche Gefühle. Doch der springende Punkt war, ich begehrte sie nicht. Schon drei Tage, nachdem sie fortgegangen war, war mir das endgültig klar. Letztendlich befand ich mich tatsächlich auf dem Mond, wenn ich mit ihr zusammen war. Während ich ihre Brüste an meinem Körper spürte, sehnte ich mich in Wirklichkeit nach etwas anderem.
Es dauerte vier Jahre, bis ich mein inneres Gleichgewicht wiederfand. Gewissenhaft erledigte ich jeden einzelnen Auftrag, und die Leute fassten Vertrauen zu mir. Nicht viele, aber einige fanden mich sogar sympathisch. Das reichte natürlich nicht aus. Nicht im Geringsten. Im Grunde hatte ich meine ganze Zeit damit verbracht, am Ende doch wieder am Ausgangspunkt zu landen.
Na schön, dachte ich, vierunddreißig und alles fängt wieder bei null an. Wie sollte ich es denn sonst anstellen? Was sollte ich als Nächstes tun?
Es erforderte nicht viel Überlegung. Ich wusste es bereits. Die Antwort schwebte über meinem Haupt wie eine düstere, schwere Wolke. Ich musste endlich zur Tat schreiten, anstatt die Sache Tag für Tag aufzuschieben. Ich musste zum Hotel Delfin. Wo alles begonnen hatte.
Vor allem musste ich sie dort treffen. Die Frau, die mich zum ersten Mal dorthin lotste, jenes exklusive Callgirl. Denn Kiki verlangte das jetzt von mir. (Anmerkung für den Leser: Einen Namen muss ich ihr schließlich geben, wenn auch nur einen vorläufigen. Sie heißt also Kiki – KIKI in Katakana-Schrift. Dass sie so heißt, erfuhr ich übrigens erst hinterher. Die näheren Umstände hierzu werde ich später erläutern, der Name sei jedoch jetzt schon verraten: Kiki. Zumindest war das der Name, den sie in ihrem bizarren Gewerbe trug.) Kiki besaß den Schlüssel für den Anlasser. Ich musste sie noch einmal zurückrufen. In dieses Zimmer, wohin niemand zurückgekehrt ist. Ich wusste nicht, ob es klappen würde. Aber auf keinen Fall konnte ich es unversucht lassen. Denn dort würde ein neuer Zyklus beginnen.
Ich packte meine Sachen, erledigte meine restliche Arbeit mit doppelter Geschwindigkeit und sagte weitere Aufträge ab, die ich mir im Terminkalender für den nächsten Monat vorgemerkt hatte. Am Telefon erklärte ich allen, ich müsse Tokyo für einen Monat aus familiären Gründen verlassen. Ein paar Redakteure regten sich auf, doch schließlich war es das erste Mal, dass ich sie hängen ließ. Außerdem hatte ich ihnen zum Umdisponieren genügend Zeit gelassen. Am Ende waren alle einverstanden. In einem Monat sei ich ja wieder da, versprach ich ihnen. Dann flog ich nach Hokkaido. Das war Anfang März 1983. Es wurde natürlich nichts daraus, dass ich nach einem Monat vom Kriegsschauplatz heimkehrte.
4
Ich mietete für zwei Tage ein Taxi und fuhr mit dem Fotografen durch das verschneite Hakodate, wo wir ein Restaurant nach dem anderen inspizierten.
Meine Recherchen waren stets systematisch und effizient. Das Wichtigste bei diesem Job sind die Vorarbeiten und ein genau festgelegter Zeitplan. Damit ist quasi alles getan. Für Leute wie mich, die das Material im Vorfeld gründlich sichten, gibt es Organisationen, die einem die Recherche abnehmen. Eine Mitgliedschaft mit Jahresbeitrag reicht aus, und sie besorgen einem fast alles.
Weitere Kostenlose Bücher