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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Muhammad Knight
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denn?«
    »Warum trägt Rabeya eigentlich die Burka?«, fragte ich Fasiq, als wir auf dem Dach saßen. In seinem Mundwinkel hing ein Joint, er klappte seinen Koran zu und legte ihn zu seiner Rechten. Er nahm einen Zug, bevor er antwortete.
    »Was meinst du?«
    »Na ja, sie trägt sie nicht deshalb, weil es Sunna ist, so viel ist klar … und sie trägt sie nicht, weil ihre Familie so streng ist … und ich glaube nicht, dass sie sie trägt, um ein islamisch-feministisches Statement abzugeben … also weiß ich nicht, warum …« Fasiq unterbrach mich nur mit einem unvermittelt lebhaften, aufmerksamen Schweigen, das so wirkte, als würde er gleich etwas sagen. Er sah mich an und sagte es.
    »Hattest du schon mal einen Tag, an dem du nicht wolltest, dass die Leute dich ansehen?«
    »Ja«, antwortete ich, »ich glaube schon. Ist das der Grund, warum sie eine trägt?«
    »Keine Ahnung«, sagte er, nahm dabei einen Zug und atmete dann dramatisch aus. »Aber deshalb würde ich sie tragen.«
    »Was für ein Scheiß ist das hier?«, donnerte Umar und kam die Treppe heruntergerannt. Ich saß mit Rabeya im Wohnzimmer.
    »Was?«
    »Das!«, er hielt es für uns hoch.
    »Sieht wie ein Koran aus«, antwortete Rabeya.
    »Ja, genau. Es ist ein Koran. Und wisst ihr, wo ich diesen Koran gefunden habe?«
    »Im Koranladen?«
    »Witzig, Schwester. Aber nein, ich habe ihn im Badezimmer gefunden, direkt auf dem Waschbecken.
    »Und?«
    »Und was macht er da? Dies ist das Wort von Allah Subhanahu wa ta ’ ala!«
    »Wahrscheinlich hat Fasiq ihn dort vergessen«, entgegnete Rabeya. »Du weißt doch, dass er das Badezimmer benutzt, um aufs Dach zu kommen, wo er den Koran liest …«
    »Nein, wo er sein Ganja raucht!«
    »Ja, aber er liest dort auch. Es war bestimmt ein Versehen. Er ist wahrscheinlich durchs Fenster reingeklettert, hat den Koran auf das Waschbecken gelegt und ihn dort vergessen.«
    »Das Badezimmer ist schmutzig.«
    »Das ganze Haus ist schmutzig.«
    »Jaja, du hast recht. Als Mustafa noch hier wohnte, hätte es niemals so ausgesehen.«
    »Als Mustafa noch hier wohnte«, gab Rabeya zurück, »hätte ich niemals hier im Wohnzimmer sitzen können.«
    Natürlich trudelten an diesem Abend alle Kuffar-Kumpel von Jehangir ein und verbreiteten weitere Unordnung, während er in einer Ecke stand und ihnen dabei zusah; er schien eine heimliche Genugtuung darüber zu empfinden, dass unser Haus noch vor wenigen Stunden als Moschee gedient hatte und jetzt ein einziges Chaos war, als würde die wahre Erlösung darin liegen, dass man ein bisschen von allem hatte. Dann erreichte Jehangir das Stadium von Trunkenheit, in dem er nur noch von Allah sprechen konnte, von seinen tragischen Verfehlungen als Gläubiger und dem Versprechen, dass der amerikanische Islam in den nächsten zwanzig Jahren zu einer Blüte kommen würde, wie sie sonst nirgends auf der Welt zu finden sei.
    Jemand legte Billy Bragg auf: »Joe DiMaggio’s Done It Again«. Jehangir warf seinen Arm in der nietenbesetzten Lederjacke um meine Schulter und hängte sich an mich, um aufrecht stehen zu bleiben. Er trug rotkarierte Hosen. Er schien sie ständig anzuhaben.
    »Hör mal, Yusef Ali«, sagte er. »Meine Großmutter redete andauernd über Joe DiMaggio. Sie hasste die Yankees, wusstest du das? Sie hasste die verdammten Yankees, weil ihr Vater sie mochte, also stritten sie dauernd darüber. Verstehst du? Wenn die Yankees verloren oder gewannen, zankten sie sich. Vater-Tochter-Beziehung.«
    »Verstehe.«
    »Ihre Söhne wiederum mochten die Yankees und wenn sie gewannen, machten sie ihr das Leben schwer.«
    »Und dann kamst du, die nächste Generation – und du hast die Yankees gehasst, stimmt’s?«
    »Mein Vater starb, bevor er mir das eintrichtern konnte.«
    »Oh. Tut mir leid.«
    »Tja, so kann’s gehen. Ich wuchs in einem Haus voller Frauen auf.«
    »Das hast du mir schon mal erzählt.«
    »Es hat funktioniert, glaube ich. Es funktioniert alles irgendwie.« Er sah einem Mädchen hinterher, das vorbeiging. »Es hat mir was gegeben, glaube ich«, flüsterte er und sein Atem stank so widerlich nach Alkohol, dass ich es mit meinen Ohren riechen konnte.
    »Hattest du je was mit Fatima?«
    »Lustig, dass du das erwähnst. Fuck, ich muss mich hinsetzen.«
    Wir gingen rüber zu dem Sofa, auf dem Fasiq normalerweise schlief, und setzten uns in die freie Ecke. Umgeben von Lärm, Dutzenden anderer Unterhaltungen und dem Geplärr von Billy Bragg erzählte er mir die Geschichte.

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