Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
Webstuhl gestanden, der mitten zwischen Haufen altertümlicher, verrosteter Waffen in einer Ecke der Hütte stand. Die Webarbeit war seit dem letzten Besuch Tarans fortgeschritten, aber noch lange nicht vollendet. Verknotete, wirre Fäden hingen unordentlich herunter, und in das Gewebe war einiges verwoben, das aussah wie die Kletten von Orgoch. Taran konnte nichts von dem Muster erkennen, und doch schien es ihm, als ob sich durch eine Augentäuschung die unbestimmten Schemen, Menschen und Tiere, in dem Gewebe hin und her bewegten. Er hatte aber keine Gelegenheit, diese merkwürdige Wirkarbeit näher zu betrachten. Orwen sprang von ihrem Spinnrad auf, klatschte vor Freude in die Hände und eilte auf ihn zu.
»Das Vögelchen auf Wanderschaft und der Gurgi!«, schrie sie. »Und wie geht es dem lieben, kleinen Dallben? Hat er noch ›Das Buch der Drei‹? Und sein Bart? Wie schwer muss das für ihn sein? Das Buch, nicht der Bart«, fügte sie hinzu. »Ist er denn nicht mit euch gekommen? Wie schade. Macht aber nichts. Es ist ja so reizend, wenn man Besuch hat.«
»Ich mache mir nichts aus Besuch«, brummte Orgoch, während sie verdrossen die Wolle auf den Boden warf. »Mir ist das unangenehm.«
»Aber natürlich ist es angenehm, du geiziges Ding!«, erwiderte Orwen scharf. »Und es ist ein Wunder, dass wir überhaupt noch welchen bekommen.«
Orgoch brummte und murrte. Unter ihrer schwarzen Kapuze erblickte Taran undeutlich eine düstere Grimasse. Orddu hob die Hand. »Pass auf Orgoch gar nicht auf«, sagte sie zu Taran. »Sie ist heute schlechter Laune, der arme Liebling. Orwen war heute an der Reihe, Orgoch zu sein, und Orgoch freute sich schon darauf, Orwen zu werden. Jetzt ist sie enttäuscht, weil Orwen sich im letzten Augenblick einfach geweigert hat. Nicht, dass ich sie tadeln möchte«, flüsterte Orddu. »Ich möchte auch nicht Orgoch sein. Aber wir werden es irgendwie wieder gutmachen. Und du«, fuhr Orddu fort, wobei ein Lächeln ihr plumpes Gesicht verzog, »du bist das kühnste kleine Gänschen. Nur wenige aus Prydain haben es gewagt, die Marschen von Morva zu durchqueren. Und von diesen wenigen hat es keiner gewagt zurückzukehren. Vielleicht hat Orgoch sie entmutigt. Nur du allein hast das Herz dazu gehabt, mein Entchen.«
»Oh, Orddu, er ist ein tapferer Held«, warf Orwen ein und betrachtete Taran mit mädchenhafter Bewunderung.
»Red keinen Unsinn, Orwen«, erwiderte Orddu. »Es gibt Helden und Helden. Ich bestreite nicht, dass er sich gelegentlich tapfer gezeigt hat. Er hat an der Seite von Fürst Gwydion gekämpft, und er war stolz auf sich. Ein Hühnchen mit Adlerfedern! Aber das ist nur eine Art von Tapferkeit. Hat das liebe, kleine Rotkehlchen jemals allein nach Würmern suchen müssen? Das ist Tapferkeit anderer Art. Und es könnte sein, liebe Orwen, dass er für die zweite mehr Mut braucht.« Die Hexe wandte sich Taran zu. »Aber sprich doch, mein Vögelchen. Warum suchst du uns wieder auf?«
»Sag uns nichts«, unterbrach Orwen. »Lass uns raten. Oh, ich liebe solche Spiele! Wenn sie uns Orgoch auch immer verpatzt.« Sie kicherte. »Lass uns eintausendunddreimal raten. Ich will anfangen.«
»Gut, Orwen, wenn du unbedingt willst«, sagte Orddu nachsichtig. »Aber sind denn eintausendunddreimal genug? Ein junges Lämmchen kann sich so viel wünschen.«
»Ihr befasst euch mit den Dingen, wie sie sind«, sagte Taran, während er sich zwang, den Blick der Hexen zu erwidern, »und wie sie sein müssen. Ich glaube, ihr kennt den Grund meiner Wanderschaft von Anfang bis Ende und wisst, dass ich meine Eltern suche.«
»Eltern?«, fragte Orddu. »Nichts ist leichter. Wähl dir die Eltern aus, die dir gefallen. Da ihr euch gegenseitig nie gekannt habt, was also macht es dann für einen Unterschied – für sie oder für dich? Glaub, was du willst. Du wirst staunen, wie bequem das ist.«
»Ich will keine Bequemlichkeiten«, erwiderte Taran, »sondern die Wahrheit, sei sie nun gut oder schlecht.«
»Ach mein süßes Rotkehlchen«, sagte Orddu, »nichts ist schwieriger, als die Wahrheit zu finden. Es gibt Leute, die ein Leben damit verbracht haben; und Viele waren in einer schlimmeren Lage als du. Er war einmal ein Frosch«, redete sie munter weiter. »Ich kann mich gut an ihn erinnern, armes Kerlchen. Er wusste nie genau, ob er nur ein Landtier war, das gern im Wasser umherschwamm, oder ein Wassertier, das gern auf einem Stück Holz saß und sich sonnte. Wir verwandelten ihn in einen Storch mit
Weitere Kostenlose Bücher