Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
umgrenzten Bereichen mithilfe einer externen Energiequelle Reaktionszyklen ab, die immer komplexer wurden und sich an Veränderungen der Umwelt anpassten. Als nächster Schritt kam dann die Speicherung der Information.
Der Hyperzyklus
Manfred Eigen und seine Arbeitsgruppe entwickelten Ende der 70er Jahre ein Modell, wie die Selbstorganisation des Lebens entstanden sein könnte. Dieses geht davon aus, dass aus organischen Molekülen funktionsfähige Informationsträger entstanden, die sich eigenständig ohne Enzyme vervielfältigen konnten. Bereits auf der Ebene dieser Makromoleküle spielten Darwinsche Evolutionsprinzipien eine Rolle ( Siehe hier ). Die ursprünglichen Informationsträger replizierten sich, und diejenigen hatten Vorteile, die sich am schnellsten vermehren konnten. Jede Stammsequenz eines solchen Informationsträgers brachte aufgrund der zahlreichen Kopierfehler Mutanten hervor, die das „genetische Reservoir“ bildeten. Ein Informationsträger mit seinen Mutanten wird in Analogie zum Artbegriff als Quasi-Spezies bezeichnet. Jede dieser Quasi-Spezies war nur solange stabil, bis die bei der Selbstreplikation auftretenden Fehler einen Schwellenwert überschritten. Bei Überschreiten dieses Schwellenwertes drifteten die Sequenzen auseinander.
Die Informationsträger mussten sich außerdem zu funktionellen Organisationsformen zusammengeschlossen haben. Um stabile Quasi-Spezies zu erhalten, war die Entwicklung einfacher Enzyme notwendig. Solche Enzyme könnten Vorläufer der Ribosomen gewesen sein. Doch um diese herzustellen, waren Informationsträger mit mehr Information notwendig, und diese herzustellen setzte wiederum eine Kooperation von Quasi-Spezies voraus. Einige dieser Informationsträger müssen sich zu einer Art von „Symbiosen“ zusammengeschlossen haben (Abb. 10. 6 ). Das Kooperationsprinzip in diesem als Hyperzyklus bezeichneten System ist einfach: Informations- und Funktionsträger sind gekoppelt. Jeder Partner profitiert von der Anwesenheit seines Vorgängers und schafft selbst seinem Nachfolger einen Vorteil. Ein Hyperzyklus ist noch nicht als lebendes System zu verstehen, aber in ihm sind die Vorbedingungen für das Auftreten lebender Systeme beschrieben. Denn ein Hyperzyklus enthält eine sich selbst reproduzierende Einheit, und es ist gewährleistet, dass die Information in einem gewissen Umfang erhalten bleibt. Allmählich werden sich Hyperzyklen höherer Ordnung entwickelt haben, die schließlich zur Bildung von Proteinen geführt haben.
Abb. 10. 6 Hyperzyklus. a Die Abbildung verdeutlicht das Prinzip eines Hyperzyklus. Im System 1 codiert Informationsträger I 1 für den Funktionsträger E 1 . Dieser fördert die Replikation von Informationsträger I 2 . Die Replikation von I 1 wiederum wird durch E 2 unterstützt. Nach dem Prinzip der hyperzyklischen Kopplung müssen beide Systeme aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit zusammenarbeiten. b Viele solcher Systeme können sich zu einem Hyperzyklus zusammenschließen. Die Informationsträger sind durch die Funktionsträger gekoppelt, sie kooperieren, statt zu konkurrieren.
Bildung erster Zellstrukturen
Ein wichtiges Kriterium für Leben ist die Abgrenzung in Einheiten. Nur in einem abgegrenzten Raum können Stoffwechselreaktionen kontrolliert und mit genügender Effizienz ablaufen. Ein Austausch mit dem umgebenden Medium muss dabei gegeben sein. In der Ursuppe werden sich Makromoleküle im Laufe der vielen Jahre angereichert haben. Substanzen mit größerer chemischer Stabilität waren vermutlich in der Mehrzahl. Denkbar ist auch eine Konzentrierung gewisser Stoffe an Tonmineralien. In der Frühphase der Entwicklung der Urzellen war die Erzeugung von organischen Substanzen also kein Problem, sondern die Abgrenzung von funktionsfähigen Einheiten zu Organisationsformen, die sich selbst erhalten konnten.
Es gibt verschiedene Hypothesen, wie sich individuelle Einheiten herausgebildet haben könnten. Alle Modelle sind umstritten, weil unsere Kenntnisse über die Bedingungen auf der frühen Erde nicht ausreichen: Lipide vermischen sich nicht mit Wasser und breiten sich auf der Oberfläche in einer dünnen Schicht aus. Infolge von Wasserbewegungen bilden sich leicht Doppelfilme . Denkbar ist, dass sich ein solcher Film um organische Moleküle gelegt und diese zurückgehalten hat. Dieser Film war aber für kleine Moleküle durchlässig, sodass ein Austausch – noch sehr unspezifisch kontrolliert – mit dem umgebenden Medium
Weitere Kostenlose Bücher