Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Wasser zum Sieden gebracht. Der Wasserdampf treibt das durch den linken Hahn eingeleitete Gasgemisch in den oberen Kolben, wo es elektrischen Ladungen ausgesetzt wird. Dampf und die sich bildenden Verbindungen kondensieren im Kühler und sammeln sich im unteren Kolben. Durch Erhitzen gelangen sie wieder in den oberen Kolben. Nach etwa einer Woche können im unteren Kolben zahlreiche Verbindungen als Produkte nachgewiesen werden.
Abb. 10. 2 Adenin-Synthese. Adenin bildet sich im Labor aus fünf Molekülen Cyanwasserstoff unter Einwirkung von Licht. Adenin spielt bei den heutigen Organismen eine wichtige Rolle als Bestandteil der DNA, RNA und wesentlicher Coenzyme im intrazellulären Stoffwechsel. Als Bestandteil von ATP ist es Baustein des wichtigsten Energieüberträgers aller Lebensformen
Heute ist erwiesen, dass die Uratmosphäre nicht so stark reduzierend war, wie von Miller angenommen. Bei Wiederholung der Experimente unter schwach reduzierenden Bedingungen entstanden ebenfalls organische Moleküle, jedoch mit einer geringeren Ausbeute.
Befürworter dieser Theorie gehen davon aus, dass eine Anreicherung der organischen Moleküle an Gesteinen in der Gezeitenzone der Ozeane möglich gewesen sein kann. Gesteine dürften stabilisierend gewirkt haben und auch Schutz vor der UV-Strahlung geboten haben, die organische Moleküle schnell wieder spaltet.
Bei der Bildung organischer Moleküle können Gesteine auch direkt beteiligt gewesen sein. Hohlräume, wie sie in Bimssteinen vorkommen, könnten Refugien für gebildete Moleküle gewesen sein, Oberflächen könnten als Matrix für Moleküle gedient haben, oder die Gesteine wirkten als Energiequellen.
1988 postulierte der deutsche Patentanwalt und Chemiker Günter Wächtershäuser die Hypothese der Eisen-Schwefel-Welt . Danach ist das Leben auf der Erde an der Oberfläche von Eisen-Schwefel-Mineralien entstanden (Abb. 10. 3 ). Solche Sulfide bilden sich noch heute beim Ausbruch von Tiefsee-Vulkanen, sogenannten Black Smokers. In der Frühzeit der Erde dürften diese geologischen Prozesse vermutlich wesentlich häufiger aufgetreten sein. Mit diesem Konzept lässt sich erklären, wie die Entstehung von Biomolekülen an eine kontinuierlich verfügbare Energiequelle gekoppelt sein könnte. Durch die Bildung von Pyrit (FeS 2 , Eisendisulfid, Katzengold) oder anderen teilweise oxidierten Eisen-Schwefel-Mineralien entsteht ausreichend Energie ( Siehe hier ) für die endergone Synthesereaktion ( Biochemie ) von Bausteinen von Biomolekülen und für deren Polymerisierung (s. u.).
Abb. 10. 3 Die Oberflächenhypothese wird durch mehrere Argumente gestützt. Die Verbindung zweier Ausgangssubstrate zu einem Endprodukt, in diesem Fall Glycerinaldehyd-3-phosphat (GAP) und Dihydroxyacetonphosphat (DHAP) zu einem Halbacetal, führt zu einer Abnahme der Bewegungsfreiheit jedes Reaktionspartners; dadurch nimmt die Entropie des Systems beträchtlich ab. An eine Oberfläche gebundene Moleküle sind in ihrer Beweglichkeit bereits stark eingeschränkt, deshalb kommt es durch die Bindung nicht zu einer Entropieabnahme und die Reaktion ist thermodynamisch begünstigt. Ebenso erhöht die Bindung an Oberflächen die Wahrscheinlichkeit, mit der es zum Zusammenstoß der Reaktionspartner kommt. Viele enzymatische Reaktionen erfordern den Zusammenstoß von mehr als zwei Molekülen.
Experimentell konnten Wächtershäuser und seine Mitarbeiter dies nachweisen, indem sie Wasser, Eisen- und Nickelmineralien, Kohlenmonoxid, Zyankali und weitere Substanzen, die in der Umgebung von Tiefsee-Vulkanen vorkommen, einige Tage bei einer Temperatur zwischen 80 und 120 °C stehen ließen. Dabei bildeten sich einfache Aminosäuren wie Glycin, Alanin und Serin sowie Hydroxysäuren. Unterstützt wird diese Hypothese auch durch die an Tiefseeschloten vorkommenden thermophilen Archaebakterien. Ferroplasma acidiphilum gewinnt seine Energie aus Eisen und nutzt Eisen zur Stabilisierung der Proteine ( Mikrobiologie ). Viele Enzyme weisen ein Eisen-Schwefel-Zentrum auf.
Viele der bei den Simulationsexperimenten nachgewiesenen Substanzen lassen sich auch sonst im Weltraum finden; in Meteoriten, wie dem 1969 in Australien niedergegangenen Murchison-Meteorit, wurden Aminosäuren, Fettsäuren, Pyrimidine, Purine, Aromaten und Porphyrine nachgewiesen. Ihre Bildung im Weltraum, auch wenn sie sich sicher unter den extremen Temperatur- und Druckbedingungen drastisch von der irdischen unterscheidet, wird überall in den
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