Taubenkrieg
mit den tätowierten Buchstaben quer über dem Gesicht…«
|302| »
ACAD
,
All Cops Are Bastards
… Wie kommen die nur darauf?« Wencke versuchte es mit einem Grinsen.
Was waren sie für eine Truppe? Ein Dreamteam oder eher eine Schicksalsgemeinschaft? Vielleicht beides. Wencke war heilfroh, dass Axel und Boris sich zusammengetan und sie gerettet hatten. Jetzt, da die Hintergrundinformationen zu dem Fall einigermaßen verdaut waren, wurde ihr erst richtig klar, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte. Gauly war sich bewusst gewesen, dass er kurz davor stand, alles zu verlieren. Einen Heidenaufwand hatte er betrieben, um seine Vergangenheit zu vertuschen. Doch als er dann am Ende erkannt hatte, dass selbst diese lebensgefährliche Verfolgungsjagd ihm nicht mehr würde helfen können, war der letzte Ausweg ein Betonpfeiler gewesen.
Axel unterbrach das Schweigen. »Morgen bin ich übrigens schon wieder transportfähig, behaupten die Ärzte. Dann werde ich auf den Weg ins heimatliche Krankenhaus nach Sanderbusch gebracht, wo sich eine ganze Mannschaft hervorragender Orthopäden meiner annehmen will.«
Wencke wusste, was das bedeutete. Sie würde endlich Emil in Aurich abholen und zelten gehen. Dann hieß es abwarten, was in den Sommerferien noch so passierte, oder in den Wochen danach, oder bis ans Ende ihres Lebens. Wahrscheinlich würden Emil und sie erst einmal ein paar Krankenbesuche in Sanderbusch absolvieren, mit Schokolade und Weintrauben als Mitbringsel. Vielleicht würden sie dort sogar Kerstin begegnen, dann wäre da wieder dieser Schmerz, aber wahrscheinlich hielt sie das irgendwie aus. Verdammt, was blieb ihr anderes übrig?
»Ach, übrigens, Boris«, begann Axel. »Das mit der Kutte … es tut mir leid. Die haben sie bei der Notaufnahme aufgeschnitten, weil ich dringend in den OP musste und …«
»Hör auf«, unterbrach Boris. »Die hätte ich wahrscheinlich bei nächster Gelegenheit in den Restmüll gesteckt.«
|303| »Wie ist denn die Geschichte mit Dirk ausgegangen? Das hast du mir nicht erzählt.«
»Wie die meisten Geschichten dieser Art so ausgehen: tragisch.«
»Wovon redet ihr?«, hakte Wencke nach.
»Wovon Männer eben reden«, gab Axel Auskunft. »Über die Liebe natürlich …«
»Dirk ist tot«, sagte Boris schließlich.
»Das tut mit leid.« Das hatte Axel nicht nur so dahingesagt. Er schien wirklich mitzufühlen. Nie hätte Wencke gedacht, dass diese beiden Männer einen Draht zueinander entwickeln könnten. Und nun waren sie anscheinend Freunde geworden, einfach so.
»Was ist passiert?«
»Irgendwann war es so weit, Dirk hatte es geschafft, der Vorstand hatte einstimmig beschlossen, ihm die Mitgliedschaft zuzusprechen. Bei der Kuttentaufe* wird immer ordentlich gefeiert. Ich war dabei. An diesem Abend war ich dafür zuständig, die Biergläser zu spülen und Aschenbecher zu leeren. Dirk war so glücklich, endlich den vollständigen Patch auf die Kutte zu nähen …«
»Und dann?«
»Ach, die Rocker gönnen sich immer den Spaß, dem neuen Member ein paar Streiche zu spielen. Für Dirk hatten sie eine Frau kommen lassen, die Favoritin in ihrem Puff. Alle standen im Kreis um den Tisch herum, Dirk und die Frau obendrauf. Ich stand hinter dem Tresen, konnte nicht wegsehen, es ging einfach nicht …« Boris seufzte. »In der Nacht hat Dirk sich das Leben genommen. Mit Höchstgeschwindigkeit gegen eine Betonwand, genau wie Gauly. Und ich konnte ihn sogar verstehen.«
»Scheiße«, sagte Axel.
»Jetzt geht es mir besser. Jetzt ist es fast gut.« Boris stand |304| auf und schaffte sogar ein überzeugendes Lächeln. »Und wenn ich euch beiden einen wertvollen Tipp geben darf: Wahre Liebe muss sich nicht verstecken. Dirk und ich haben die ganze Zeit so getan, als wären wir nur Kumpels. Das war teuflisch schwer. Die Sehnsucht ist doppelt schlimm, wenn man den Partner ständig um sich hat, es aber niemandem zeigen darf. Und heute bereue ich jeden einzelnen Tag, an dem ich mich nicht neben ihn gestellt und der Welt mitgeteilt habe, dass er der Mensch ist, den ich liebe.«
Boris zwinkerte Axel zu, dann drückte er Wencke kurz und verabschiedete sich mit einem Gesichtsausdruck, den nur Menschen aufsetzen, die eben eine richtig gute Tat vollbracht haben.
|305| Anhang
Alice in Chains
ist eine amerikanische Grunge-Band aus Seattle, deren Musik stark vom Heavy Metal beeinflusst wurde und die auf vielen Biker-Events gehört wird. Frontman und Sänger Layne Staley war das
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