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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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nimmt!«
    Und der Gelehrte fuhr fort, ihn zu beschwören, damit er sie ihm zurückgäbe; und er warf sich ihm zu Füßen; aber wie sehr er auch bat und was er auch sagen mochte, der Prinz blieb unerbittlich. Der Khwadschah glaubte, vielleicht würde das Weib mehr Macht über Malik al-Nasirs Gedanken haben als er, und sie werde sich nichts Besseres wünschen, als daß der Prinz sich von ihr schiede; und also wandte er sich an sie und sprach zu ihr: »O innerstes Wesenmeines Lebens, da dieser Jüngling meiner Bitte nicht achtet, benutze du selber die ganze Macht deines Mondgesichts, um von ihm zu erlangen, daß er dich meiner Liebe zurückgebe.« »O mein teurer Gelehrter, mein einstiger Gatte,« versetzte das Weib, indem es tat, als wäre es aufs höchste bekümmert; »es ist sinnlos, eine solche Gnadentat von ihm zu erwarten; er ist hartnäckig und wird seinen Fang nicht wieder freigeben. Ach, wie sehr schmerzt es mich, daß ich nicht wieder dein Weib werden kann!« Da nun der Khwadschah diese Worte für aufrichtig hielt, so steigerte sich sein Kummer noch, und von neuem bat er Malik al-Nasir, sich von dem Weibe zu scheiden; ja er begann bitterlich zu weinen, doch selbst seine Tränen fruchteten nicht mehr als seine Reden. Der Prinz blieb fest, und schließlich ging der Gelehrte, als er jede Hoffnung, ihn jemals beugen zu können, fahren ließ, zum Kadi, um wider den Hulla Klage zu führen. Der Eichter aber lachte seiner Klagen und erklärte, daß das Weib nicht länger ihm gehöre, sondern rechtmäßig im Besitz des jungen Schneiders verbliebe, den niemand zwingen könnte, sich von ihr zu scheiden. Der Khwadschah war ob dieses Abenteuers in Verzweiflung, also daß er meinte, darob von Sinnen zu kommen. Er erkrankte, und die geschicktesten Ärzte von Bagdad vermochten ihn nicht zu heilen.
    Als er nun schließlich auf seinem Sterbebette lag, verlangte er den Prinzen zu sprechen. »O Jüngling,« sprach er zu ihm, »ich vergebe dir, daß du mir mein Weib geraubt hast; ich darf dir darob nicht länger grollen, denn es ist alles nach Gottes Willen geschehen. Weißt du noch, daß ich in Mekka unter der goldenen Traufe ein Gebet für dich verrichtet habe?« »Ja,« versetzte der Prinz, »ich weiß sogarnoch, daß ich nicht ein einziges Wort von deinem ganzen Gebet verstand und daß ich nur in aller Andacht Amen sagte, ohne zu wissen, worum es sich handelte.« Da sprach der Gelehrte: »Dies war der Wortlaut meines Gebetes: ,O mein Gott, laß es so geschehen, daß eines Tages all meine Habe mit allem, was ich liebe, diesem Jüngling rechtgemäß anheimfallen möge!«
    »Freilich«, fuhr der Khwadschah fort, »bist du mir dafür nicht so viel Dank schuldig, wie du wohl glauben magst, denn ich sprach diese Bitte nicht völlig aus eigenem Antrieb aus. Ich will dir gestehen, daß ich die Absicht hatte, ein andres Gebet zu tun, und ich weiß nicht, welche Macht und welche göttliche Regung mich mit sich fortriß, also daß ich wider Willen diese Bitte tat. Wie du siehst, fand sie Erhörung, denn fast alles, was ich besaß, gehörte meinem Weibe, und sie gibt es dir mitsamt ihrer Liebe. Ich rufe alle, die hier zugegen sind, als Zeugen dafür auf, daß mein Wunsch und Wille dieser ist: was sich nach meinem Tode an Hab und Gut auch finden möge und was mir gehörte, das soll dein rechtmäßiger Besitz sein.« Diesen letzten Willen ließ er niederschreiben und von all den Zeugen unterzeichnen. Auch er selber unterschrieb ihn, und drei Tage darauf verschied er.
    Malik al-Nasir also lebte hinfort mit seinem Weibe im Hause des Gelehrten, und er ergriff Besitz von all seiner Habe. Er übte nicht mehr den Beruf eines Schneiders aus, sondern nahm sich eine große Anzahl von Dienern und dachte nur noch daran, in Bagdad ein herrliches Leben zu führen. Er freute sich in höchster Freude ob seines Loses und hielt sich für glücklicher als den Sultan Malik Aschraf, seinen Bruder. Er dachte nur noch daran, sich tagtäglichmit allen Jünglingen der Stadt zu ergötzen, bis das Schicksal, das sich darin gefiel, ihn zu verfolgen, diesem Leben in Herrlichkeit und Freuden ein Ende machte.
    Als er eines Abends, nachdem er sich den ganzen Tag hindurch vergnügt hatte, in sein Haus zurückkehren wollte, pochte er kräftig an seine Tür. Und da ihm niemand auftat, so pochte er nur noch heftiger, während er zugleich nach seinen Dienern rief, doch niemand gab eine Antwort. »Oh,« sagte der Prinz, »meine Leute müssen sämtlich tot sein oder

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