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Tausend weisse Flocken

Tausend weisse Flocken

Titel: Tausend weisse Flocken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Spencer
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1. KAPITEL
    Den Prospekten zufolge schien der Wintersportort Topaz Valley paradiesisch schön zu sein. In den Bergen von British Columbia, der westlichsten Provinz Kanadas, gelegen, besaß es offenbar dieselben Vorzüge wie St. Moritz und hatte den zusätzlichen Vorteil, dass es nicht weit von Vancouver entfernt war, wo sie, Claire, eine weitere Filiale ihrer gut gehenden Kette von Schmuckläden eröffnen wollte. Ein anderer Vorzug war, dass es weit von ihrem normalen Lebensumfeld entfernt war, denn sie brauchte einen Tapetenwechsel.
    Es war erstaunlich, dass sie, die sich ihren Platz an der Spitze der europäischen Gesellschaft so hart erkämpft hatte, sich plötzlich nach einem einfacheren Lebensstil sehnte. Doch wenn sie in letzter Zeit in den Spiegel geschaut hatte, hatte ihr eine Fremde entgegengeblickt, eine Frau, die so damit beschäftigt war, den Schein zu wahren, dass sie ihre innersten Bedürfnisse vernachlässigt hatte. Wenn sie so weitermachte, würde es die wahre Claire Durocher bald nicht mehr geben.
    Topaz Valley hatte ihr, wie es schien, die Chance geboten, Bilanz zu ziehen, und zwar nicht nur, was ihren gesellschaftlichen Aufstieg nach ihrer armseligen Kindheit in Marseilles betraf, sondern, was noch wichtiger war, über ihre Zukunft. Allerdings hatte man in den Prospekten verschwiegen, dass British Columbia sehr groß und von eher wilder Schönheit war. Oder dass sie nach ihrer Ankunft in Kanada fast sechs Stunden brauchen würde, um ihr Ziel zu erreichen, und dass sie gegen Ende der Fahrt völlig erschöpft sein würde.
    Außerdem hatte in den Prospekten nicht gestanden, dass die Winter im Inneren der Provinz im Gegensatz zu dem schmalen Küstenstreifen, wo an geschützten Stellen sogar noch Rosen in den Gärten blühten, nicht mild, sondern eisig kalt waren.
    Natürlich hatte sie mit Schnee gerechnet, und es lag Schnee, so weit das Auge reichte, als Claire schließlich aus dem Hubschrauber stieg. Doch es war der eisige Wind, der sie bestürzte. Man konnte kaum Luft bekommen.
    Ihre sieben Mitreisenden schienen nicht im Mindesten schockiert über die subarktischen Wetterbedingungen, sondern machten sogar einen ausgesprochen fröhlichen Eindruck. In ihre dicken Jacken eingemummelt, stellten sie sich mit dem Rücken zum Wind und stimmten "Here comes Santa Claus" an, als ein Paar Scheinwerfer in der Dämmerung auftauchte und den Berg hinauf auf sie zukam.
    Unwillkürlich bewunderte Claire ihre innere Stärke.
    Allmählich fragte sie sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, Weihnachten in Kanada zu verbringen. Und sie fühlte sich in dieser Meinung bestärkt, als der Pilot sich, nachdem er das restliche Gepäck ausgeladen hatte, mit den Worten "Frohe Weihnachten, Leute! Ich haue ab, solange es noch geht" verabschiedete und geradezu beängstigend schnell wieder in den Hubschrauber stieg.
    Wenige Sekunden später begannen die Rotoren sich zu drehen, und der Hubschrauber startete. Für sie war es, als würde damit ihre letzte Verbindung zur Zivilisation getrennt werden.
    Sie hielt ihre pelzverbrämte Kapuze unter dem Kinn fest und betrachtete die düstere Landschaft um sich her.
    Im Osten färbte sich der Himmel bereits dunkelrot, während im Westen dunkle Wolken aufzogen, die noch mehr Schneefall ankündigten. Und dann der Wind ...
    Das Fahrzeug war jetzt oben angekommen und stoppte. Eine stämmige Gestalt, dick eingepackt in Sachen, die einem starken Schneesturm auf dem Mount Everest getrotzt hätten, stieg aus und hob den Arm zum Willkommensgruß.
    "Hallo, Leute! Die Topaz-Valley-Limousine zu Ihren Diensten. Alle, die keine Lust haben, zu Fuß zum Hotel zu gehen, bitte einsteigen!"
    Er besaß zwar einen für sie ungewohnten derben Humor, doch Claire musste zugeben, das er außergewöhnlich ritterlich war, als er sie in den Wagen verfrachtete. Wagen? Das Fahrzeug erinnerte von außen an einen Panzer, wenn man von der hellgelben Lackierung absah, aber im Innenraum befanden sich drei Reihen spartanischer Holzsitze, genügend Stauraum für Koffer und Skier, und die Heizung funktionierte auch, wofür Claire sehr dankbar war.
    "Sie können von Glück reden, dass Sie hergekommen sind", verkündete der Fahrer, nachdem er die Tür zugeschlagen und sich ans Steuer gesetzt hatte. "Die Leute, die gestern angekommen sind, mussten die Nacht in Broome verbringen, weil die Sicht hier oben so schlecht war. Mussten im Wayside Motel übernachten und sich mit Hamburgern zufrieden geben."
    Sie blickte aus dem

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