Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
hatte angeboten, das Büro mit Fitz zu teilen, damit er etwas Privatsphäre hätte, wenn sie nicht da war, aber er hatte das Angebot abgelehnt. Er mochte es, draußen bei den Jungs zu sein. Und auch wenn sie nur ein paar kleine Meter weit entfernt war, konnte Taylor es nachvollziehen. Die Trennung war offensichtlich, und sie hatten alle Zeit gebraucht, sich daran zu gewöhnen. Taylor zuckte noch immer zusammen, wenn jemand an den Türrahmen klopfte. Sie schloss die Tür selten, denn es schien ihr nur gerecht, dass sie genau so wenig Ruhe hatte wie ihre Detectives.
Das normalerweise vor Aktivitäten nur so brummende Büro lag in friedvoller Stille. Sie wusste, dass zwei ihrer Detectives – Marcus Wade und Lincoln Ross – heute Vormittag einen Termin vor Gericht hatten. Und Fitz hatte sie nach Hause geschickt, damit er sich mal wieder richtig ausschlief. Der Rest der Nachtschicht war nach Hause gegangen. Sie hatte das ganze Büro für sich alleine.
Sie war daran gewöhnt, alleine zu sein, und meistens begrüßte sie es. Seit Baldwin in ihr Leben getreten war, änderte sich das langsam. Er arbeitete oft von ihrem Zuhause aus. Sein Transfer zum Büro in Nashville als Profiler für die mittleren Staaten der USA bedeutete, dass er weniger reisen musste, sich seine Zeit selber einteilen und an den Fällen mitarbeiten konnte, die ihn wirklich interessierten. Wenn ein Fall von höchster Priorität auftauchte wie der des Southern Stranglers, wurde er vom FBI dazu herangezogen. Er war immer noch der leitende Behaviorist des FBI, wenn auch inzwischen im Halbruhestand.
Sie lebten nicht offiziell zusammen, aber er hatte sich in ihrem Homeoffice eingerichtet, und heimlich fand sie die Unordnung, die er darin angerichtet hatte, ganz toll. Sie fühlte sich zum ersten Mal zu jemandem gehörig, und wenn das bedeutete, dass er ihr Büro in Unordnung brachte, dann war das halt so. Er verwüstete auch ihre Küche, aber sie vergab ihm beinahe alles, wenn er für sie kochte. So oft kam sie abends nach Hause und war zu müde und lustlos, um sich um das Abendessen zu kümmern.
Seit dem “Vorfall”, wie sie es nannte – es war netter, als zu sagen: “Seit mir die Kehle durchgeschnitten wurde” – war sie öfter müde als vorher. Die Ärzte hatten gesagt, das wäre normal. Der Schnitt in ihrer Kehle hatte eine Arterie verletzt, ihr Blutverlust war enorm gewesen. “Sie wären beinahe gestorben”, sagten sie. “Haben Sie ein wenig Geduld mit sich”, sagten sie. “Der Körper springt nicht einfach wieder so in den Normalzustand.” Es hatte drei Monate gedauert, bis ihre Stimme wieder normal geklungen hatte. Sie war schon immer etwas rau gewesen, aber jetzt war sie richtig rauchig, was Baldwin sehr gefiel. Er zog sie immer damit auf, dass sie eine großartige Nachtmoderatorin im Radio abgeben würde oder ihr Geld mit Telefonsex verdienen könnte. Sie ignorierte seine Spötteleien und arbeitete hart daran, wieder vollständig gesund zu werden. Es hatte eine Zeit gegeben, in der die Ärzte angenommen hatten, sie würde nie wieder sprechen können. Aber drei Tage nach ihrer letzten Operation hatte sie alle mit einem Krächzen erstaunt. Durch harte Arbeit und unermüdlichen Einsatz hatte sie sich wieder in Form gebracht und war mit jedem Tag stärker geworden.
Erstaunlich, wie ihre Begegnung mit dem Tod ihre Beziehung gefestigt hatte. Lange Zeit hatte Taylor sich Sorgen gemacht, dass Baldwin nur aus Mitleid bei ihr blieb. Aber inzwischen wusste sie es besser.
Vor sich hin lächelnd ging sie den Flur entlang zur Abteilung für Sexualverbrechen. Das Büro war nicht leer, aber alle Detectives schienen beschäftigt. Sie wusste, dass Brian Post allen erzählt hatte, Betsy hätte einen Autounfall gehabt und läge im Krankenhaus. Das war die plausibelste Erklärung, die man liefern konnte, und die perfekte Tarnung für ihre Verletzungen. Brian hatte auch erwähnt, dass Lieutenant Jackson von der Mordkommission vorbeikommen würde, um sich in die Rainman-Akte einzuarbeiten, solange Betsy außer Gefecht gesetzt war, und als Taylor nun das Büro betrat, winkte man ihr freundlich zu. Zurückwinkend ging sie hinüber zu Betsys Schreibtisch, wo ein freundlicher Mitarbeiter schon alle Akten gestapelt und mit Gummiband zusammengebunden hatte, damit man sie einfacher tragen konnte.
Sie schnappte sich den Stapel und eilte hinaus, bevor jemand sie in ein Gespräch verwickeln konnte. Langsam kam Leben in die Flure und Büros. Uniformierte und Beamte
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