Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
Presse war grauenhaft darin, kreative Namen zu entwickeln, und leider musste sie zugegeben, dass das FBI nicht viel besser war.
Es gab einen großen Unterschied zwischen den vorherigen Nachahmungstaten und dem Schneewittchenfall. Alle anderen Mörder waren gefasst und zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Auf zwei von ihnen war sogar die Todesstrafe angewendet worden.
Das Wort von vorhin kam Taylor wieder in den Sinn, selbst wenn sie wusste, dass es nicht hundertprozentig auf alle Fälle passte. Ein Auszubildender. Ein Student des Mordes. Und er hatte seine beste Imitation für den Mörder aufgehoben, der niemals gefasst worden war. Ein Gedanke regte sich in ihrem Hinterkopf. Wenn er so vertraut mit den Nashville-Morden war, kannte er dann vielleicht die Identität des wahren Schneewittchenmörders? Sie notierte sich den Gedanken und schrieb noch einen weiteren Hinweis daneben: Siegelring.
Der Ring war aus den Beweisen verschwunden. Wenn er an einem Tatort auftauchen würde, wäre das durchaus interessant.
Den Nachmittag verbrachten sie damit, die Akten durchzugehen und zu versuchen, die einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen. Die DNA-Proben passten zu allen Tatorten, befanden sich aber sonst nicht im System, was bedeutete, dass der Täter innerhalb der letzten drei Jahre nicht verhaftet worden war. Ansonsten wäre seine DNA automatisch ins System eingepflegt worden. Es bedeutete nicht, dass er niemals mit der Polizei in Berührung gekommen war, sondern nur, dass er nie in Gewahrsam genommen wurde. Vielleicht gab es irgendwelche anderen Vorwürfe in seinen Akten, die nur darauf warteten, ins System eingegeben zu werden; dann könnten sie ihn sofort identifizieren. Doch im Moment hatten sie ziemlich wenig, um damit zu arbeiten.
In Taylors Kopf rasten die Gedanken nur so durcheinander. Es gab keine Spur von Jane Macias. Wenn er sie sich geschnappt hatte, würde sie Opfer Nummer fünf werden. Wenn der Nachahmer dem Originalmuster der Schneewittchenmorde folgte, würde es noch fünf weitere Opfer geben.
Der Zusammenhang mit den achtzehn anderen Morden, die ebenfalls dem Nashville-Killer zugeschrieben wurden, war eine zu heiße Geschichte, um sie unterm Deckel zu halten. Die Gerüchte begannen sofort, die Runde zu machen. Mitchell Price und Dan Franklin kümmerten sich um die Medien, blieben dabei aber strikt bei den in Nashville verübten Morden. Frage um Frage leiteten sie ans FBI weiter und überließen ihnen die Antwort darauf, wie ein solcher Blutrausch hatte unbemerkt bleiben können. Natürlich, einige der Originalmorde waren in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern passiert, und obwohl jede Stadt wusste, dass sie es mit einem Verrückten zu tun hatte, hatten alle, inklusive des FBI, übersehen, dass es einen Zusammenhang gab. Bis Charlotte Douglas einen Blick auf die Akten geworfen hatte. Es war einer dieser stolzen Tage für die Strafverfolgungsbehörden.
Taylor erschrak, als die Tür zum Konferenzraum geöffnet wurde. Sie war wohl ein paar Minuten weggenickt … Schnell setzte sie sich gerade hin, wischte sich mit der Hand übers Gesicht und sah, wie Baldwin sie anschaute.
„Du bist wunderschön“, sagte er.
„Du brauchst ‘ne Mütze voll Schlaf“, erwiderte sie. „Wie geht’s Charlotte?“ Sie hob eine Hand. „Entschuldige bitte, Dr. Douglas.“ Taylor zog die Silben in die Länge und ahmte Charlottes arroganten Tonfall perfekt nach.
Baldwin lächelte. „Sie ist im Hotel und trinkt – natürlich umringt von einer Schar Songwriter – Cosmopolitans an der Bar. Irgendeine Band, die da übernachtet. Sie ist also vollkommen in ihrem Element.“
Taylor überlegte einen Augenblick. Wer spielte diese Woche? Sie wusste, es war jemand Bekanntes … „Bitte sag mir, dass es nicht Aerosmith ist.“
„Dünner Kerl, breiter Mund, schriller Schal. Mehr konnte ich nicht sehen.“
„Jesus. Wie zum Teufel bist du nur an diese Frau geraten?“
Baldwin zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Er rieb sich über die Stirn, als wenn er damit die Erinnerung auslöschen könnte. „Wir haben gemeinsam an einem Fall gearbeitet. Lange Abende, zu viele Drinks … verdammt, du willst das nicht hören. Es war vorbei, ehe es überhaupt angefangen hatte. Sie macht mir Angst. Sie hat nicht einen anständigen Knochen im Leib.“
„Nun, sie hat sich jedenfalls nicht gescheut, dir klarzumachen, dass sie deine Knochen in ihrem Körper jederzeit willkommen heißt. Also halt dich von ihr
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