Taylor Jackson 03 - Judasmord

Rache oder Bestrafung aus gewesen. Ergo musste es jemand sein, den Corinne gekannt hatte. Taylor musste nur so viele Informationen über Corinne sammeln, dass die Frau ihr vertraut war wie eine gute Freundin. Dann würde sie die Person finden, die sie umgebracht hatte. Vielleicht war es Todd – die Beweise gegen ihn waren wahrlich erdrückend –, aber es konnte auch jemand anderes gewesen sein.
    Da sie nichts Besseres zu tun hatte, entschied sie, mit ihren verbotenen Tätigkeiten weiterzumachen. Sie fragte sich, ob Julianne Harris wohl einen Anruf von ihr entgegennehmen würde? Michelle Harris hatte Taylor offensichtlich in die Schublade der Menschen gesteckt, die nicht auf ihrer Seite standen, aber falls die Mutter sie noch nicht ausgeschlossen hatte … Sie nahm ihr Notizbuch zur Hand und blätterte zu den ersten Seiten zurück. Ja, da war die Nummer der Harris’. Mit gedrücktem Daumen wählte sie die Nummer. Julianne Harris antwortete nach dem ersten Klingeln.
    „Haben Sie Neuigkeiten bezüglich meiner Tochter?“, fragte sie ohne Vorrede.
    „Mrs Harris, danke, dass Sie meinen Anruf entgegennehmen. Ich weiß das sehr zu schätzen …“
    „Ich will nicht über das sprechen, was Ihnen passiert ist, Lieutenant. Was wollen Sie von mir?“
    Kurz und knapp. Taylor wusste, dass sie nur eine Chance hatte. „Mrs Harris, war Ihnen bekannt, dass Corinne Medikamente gegen Angstzustände nahm?“
    Schweigen. Dann seufzte Mrs Harris tief. „Ja.“
    „Wissen Sie, warum sie so … angespannt war?“, hakte Taylor nach. Wieder Schweigen.
    „Lassen Sie mich die Frage anders formulieren“, sagte Taylor,wurde jedoch von Mrs Harris unterbrochen.
    „Nein, Lieutenant, das müssen Sie nicht. Ja, sie war verängstigt. Sie hatte Panikattacken wegen des Babys. Sie hat mir nicht gesagt, warum, aber ich hatte so eine Ahnung.“
    „Und die wäre?“
    „Ich will meine Tochter nicht diffamieren, Lieutenant. Ich denke, es wäre besser, wenn wir die Unterhaltung an dieser Stelle beenden.“
    „Hatte Corinne eine Affäre, Mrs Harris?“
    Mrs Harris stieß ein gequältes Winseln aus. „Oh Gott. Wie haben Sie das herausgefunden?“
    Ich hab geraten, dachte Taylor. „Wer war es?“
    „Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht mal mit Sicherheit, dass sie eine Affäre hatte. Vor ihrem Tod benahm sie sich so seltsam. Launisch. Besessen. So habe ich sie erst einmal zuvor gesehen, als sie in der Highschool fürchterlich in einen Jungen verliebt war. Sie sind sehr kurz miteinander ausgegangen, und als er mit ihr Schluss gemacht hat, ist sie zusammengebrochen. Sie ist in eine tiefe Depression gefallen und hat angefangen, dem Jungen Briefe zu schreiben, in denen sie ihn anflehte, sie zurückzunehmen. Es war nur eine Phase, wir konnten sie da nach ein paar Wochen wieder herausholen. In letzter Zeit hatte sie jedoch eine ähnliche Stimmung. Eine Mutter merkt immer, wenn mit ihrer Tochter etwas nicht stimmt, Lieutenant. Mehr weiß ich aber auch nicht.“
    „Danke, Mrs Harris. Sie haben mir sehr geholfen.“
    Sie legten auf, und Taylor trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. Todd Wolff hatte seine Geschichte darüber, wann er das letzte Mal Sex mit seiner Frau gehabt hat, geändert. Erst hatte er gesagt, sie hätten in der Woche vor ihrem Tod miteinander geschlafen. Eine Affäre würde das Sperma erklären. Der DNA-Test war noch nicht zurück, doch er würde Wolffs Behauptung bestätigen oder zerstören. Falls Corinne eine Affäre gehabt hatte, wer war dann ihr Liebhaber?
    Sie machte sich einige Notizen, dachte ein paar Minuten nach und entschied dann weiterzumachen. Thalia Abbott stand als Nächste auf ihrer Liste.
    Die helle Morgensonne malte einen Heiligenschein um die Wolkenkratzer der Innenstadt. Gedankenverloren beschirmte Taylor ihre Augen. Sie sah den dunkelhaarigen Mann nicht, der sie von der anderen Straßenseite aus beobachtete.
    Sie nahm den Zettel aus ihrer Brieftasche, auf dem Jasmine den Namen und die Nummer von Thalia Abbott notiert hatte. Sie wählte und war erfreut, als auch hier nach dem ersten Klingeln jemand abnahm.
    Taylor stellte sich als Jasmines Freundin und nicht als Polizistin vor. Das hatte zwei Gründe: Zum einen wollte sie Thalia nicht verschrecken, zum anderen könnte ihr Delores Norris so nicht vorwerfen, eine Quelle belogen zu haben. Thalia fragte nicht, was Taylor wollte, sondern stimmte gleich zu, sich mit ihr zu treffen. Taylor fragte, ob das Mädchen jetzt Zeit hätte, und sie vereinbarten, sich in