Taylor Jackson 03 - Judasmord
zu entziehen erschien ihr allerdings sehr dramatisch. Aber irgendetwas an Thalia Abbott ließ Taylor schweigen. Dieses junge Mädchen wusste, was es wollte. Ihre Entscheidungen infrage zu stellen wäre beinahe schon unverschämt gewesen. Taylor entschied sich, es langsam angehen zu lassen.
„Thalia ist ein sehr schöner Name. Ist er griechisch?“
Das Mädchen schaute sie überrascht an. „Sehr gut, Lieutenant. Meine Mutter kommt aus Athen. Thalia war die Muse der Komödie. Es gibt auch eine Thalia, die eine der drei Grazien war – Thalia, die Blühende. Es ist eine nette Geschichte. Ich denke schon, dass ich irgendwann in meinem Leben irgendjemanden zu etwa Kreativität inspiriert habe. Ich unterrichte gerne Kunst, vielleicht war mein Name also eine Prophezeiung meiner Mutter.“ Sie hatten das Kirchenschiff jetzt einmal komplett durchquert, und Thalia zeigte auf eine Tür.
Taylor folgte ihr hinaus in einen kleinen Garten, der komplett von den umstehenden Gebäuden eingeschlossen wurde. Ein Kiesweg wand sich durch kleine Rasenflecken. An den vier Ecken stand jeweils eine Statue, und neben einem sprudelnden Springbrunnen stand eine steinerne Bank. Sie setzten sich. Thalia hielt sich kerzengerade und trug immer noch das sanftmütige Lächeln, das sie von Anfang an gezeigt hatte.
„Das hier ist mein Lieblingsplatz. Hier fällt es sehr leicht zu denken.“
Eine Ruhe überkam Taylor, ähnlich dem Gefühl, das sie im Inneren der Kirche empfunden hatte. „Das kann ich gut verstehen. Kannst du Kunst unterrichten, wenn du Nonne bist?“
„Natürlich. Vor allem in unserer schnelllebigen Welt, in der sich Menschen keine Zeit mehr nehmen zu lesen, kann Kunst eine wichtigeRolle in der Kommunikation spielen, besonders mit jungen Menschen. Es gibt Jahrhunderte religiöser Kunstgeschichte zu studieren.“
Sie saßen einen Moment schweigend beisammen. Dann sprach Thalia wieder. In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Traurigkeit mit. „Jasmine hat mich angerufen. Sie hat mich gebeten, Ihre Fragen zu beantworten. Ich weiß nicht alles über die geheime Gesellschaft, aber ich weiß ein bisschen. Ich werde helfen, so gut ich kann.“
„Das weiß ich sehr zu schätzen. Jasmine hat mir gesagt, dass es einen Klub von Mädchen gibt, die Sexfilme erstellen, die dann ins Internet hochgeladen werden. Was kannst du mir über sie erzählen?“
Thalia schaute auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß gefaltet hatte. „Nun, zuerst einmal ist es nicht das, wofür die Mädchen es halten. Es soll ein glamouröser, aufregender Klub sein, in dem jeder Mitglied sein will und nur die Schönsten und Beliebtesten erwählt werden. Sie wissen, was das bedeutet, oder?“
„Ja. Man wird von der Gruppe ausgewählt, muss einige grauenhafte Rituale über sich ergehen lassen und dann eine Art Gelöbnis ablegen.“
„Klingt, als hätten Sie das schon erlebt.“
„Habe ich auch“, gab Taylor zu. „Ich glaube allerdings nicht, dass es auch nur im Geringsten dem ähnelt, was du durchgemacht hast.“
„Nur wenn Ihre erste Aufgabe darin bestand, dem Captain des Footballteams einen zu blasen.“
Taylor versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, und antwortete leichthin: „Definitiv nicht. War das deine Initiation?“
„Ja. Ich fand eine Nachricht in meinem Spind, dass ich mich sofort an der Pergola einfinden sollte. So nannten sie das kleine Gebäude neben dem Football-Feld, in das sich einige Schüler zum Rauchen zurückzogen. Ich bin ihren Anweisungen gefolgt. Sie haben mir in dem Moment die Augen verbunden, in dem ich durch die Tür kam, und mich auf die Knie geschubst. Dann haben sie mir erzählt, dass sie mich auserwählt hätten, und um mich ihrer würdig zu erweisen, müsste ich dem Typen einen blasen. Ich tat es. Von da ab war ich dabei. Es war krank und verdorben, und je länger ich involviert war, desto mehr schämte ich mich für mich. Aus Blowjobs wurde Sex, aus Sex wurde Fetisch, dann fingen sie mit den Kameras an. Fünfzig Punkte für ein Video im Internet, hundert, wenn man es an einen Produzenten verkaufte. Als ich nicht mehr mitgemacht habe, haben sie mich verbannt. Ich bin nicht mehr zur Schule gegangen, hab nur nochmeinen Abschlusstest gemacht und dann angefangen, hier zu arbeiten. Ich musste einen neuen Weg finden, eine Zukunft, mit der ich leben konnte. Und ich musste Vergebung für meine Dummheit finden.“ Sie hob eine Hand, als ob sie alte Erinnerungen verscheuchen wollte.
„Aber deswegen sind Sie nicht hier.
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