Taylor Jackson 03 - Judasmord
Stundenlang, aber Baldwin wusste, dass es nur ein paar Minuten gewesen sein konnten. Als er fertig war, fragte Baldwin: „Warum ich?“
„Weil Sie der Beste sind, den wir je gesehen haben. Weil Sie mehrere Sprachen sprechen und sich an jedes Land anpassen können. Wie viele Sprachen sprechen Sie fließend? Acht? Neun?“
„Dreizehn.“
Atlantic neigte respektvoll den Kopf und tippte mit dem Finger auf die Tischplatte. „Weil Sie die Leidenschaft besitzen, um diesen Opfern Erlösung zu verschaffen, und gleichzeitig die Klugheit, darüber Schweigen zu bewahren. Und weil wir darum bitten.“
Zu dem Zeitpunkt hatte ihm das als Antwort gereicht. Baldwin hatte zugestimmt, die Position des Profilers in dem einzunehmen, was Atlantic „Operation Engelmacher“ getauft hatte.
Seine erste Aufgabe bestand darin, den Waldmörder zu finden. Baldwin hatte den Fall innerhalb weniger Tage gelöst. Der Mörder war ein Attaché der sambischen Botschaft. Baldwin hielt ihn auf, bevor er sein sechstes Opfer töten konnte. Der Mann war kurzerhand und mit einer strengen Warnung an seine Regierung, ihn nie wieder einen Fuß auf US-amerikanischen Boden setzen zu lassen, ausgewiesen worden. Das blitzende Lächeln des Mörders, als er das Flugzeug bestieg, das ihn nach Lusaka zurückbringen würde, verfolgte Baldwin bis heute in seinen Träumen.
Das war der Erste. Es gab noch mehr. Selten auf US-Boden. Die Fälle, an denen er arbeitete, waren sehr ruhig, verstrickt und tödlich. Verschiedene Mörder, verschiedene Vorgehensweisen. Todeszonen und Bluträusche, die so verschwiegen wie möglich behandelt werden mussten und für die man sich dunkelster Kanäle bediente. Das waren keine Männer, wie man sie in Gerichtsshows oder sogar vor einem echten Gericht sah. Diese Männer wurden geschützt.
Die Regierungen verschiedener Länder hatten bezahlte Mörder auf ihren Gehaltslisten. Männer und Frauen, die dafür bezahlt wurden zu töten, die ausgebildete Soziopathen waren und manchmal von den ihnen vorgeschriebenen Wegen abwichen, um ihre eigentlichen Neigungen zu befriedigen. Sie entwickelten eine Blutlust, die allein die Zielpersonen der Regierung nicht mehr stillen konnten. Diese Mörder aufzuspüren war eine Aufgabe, die nicht irgendwelchen Agenten überlassen wurde.
Operation Engelmacher hatte auch einen echten Namen. „Dievereinigte Einsatzgruppe gegen potenziell gefährliche Subjekte“, aber DVEGPGS funktionierte als Akronym nicht so gut. Also wurden sie OE, eine verdeckt arbeitende Gruppe, die so geheim war, dass nur die unmittelbaren Mitglieder von ihrer Existenz wussten. Es gab keine Aufsicht durch den Kongress, keine Anweisungen des Präsidenten, nur den Kopf der CIA und ein paar Menschen, denen nur mitgeteilt wurde, was sie unbedingt wissen mussten.
Die Vereinbarung, die Atlantic mit Garrett getroffen hatte, war, dass er Baldwin von Zeit zu Zeit auslieh, um bestimmte „Projekte“ zu überwachen. Was Baldwin aber tatsächlich tat, war, ein Profil internationaler Serienmörder zu erstellen, vor allem von Männern, die seine Auftraggeber nur zu gerne ins Gefängnis gesteckt wissen würden. Diese Killer waren für ihre jeweiligen Regierungen sehr wichtig und manchmal auch für die Vereinigten Staaten. Männer mit ungewöhnlichen Neigungen, wie Atlantic es so passend ausgedrückt hatte. Baldwins Job war es nicht, sie aus Ärger herauszuhalten oder zu verstecken, sondern vorherzusagen, wo und wann sie als Nächstes zuschlagen würden. Wenn die Engelmacher wussten, wann ein Mörder das nächste Mal aktiv werden würde, konnten sie einen Köder einsetzen; meistens handelte es sich dabei um einen Auftragsmord, der die sofortige Aufmerksamkeit des Attentäters erforderte. Mit dieser Taktik schafften sie es, die Unschuldigen so gut es ging zu beschützen und die Auftragsmörder einigermaßen im Auge zu behalten.
Wenn Baldwin ehrlich war, faszinierte ihn die kulturübergreifende Analyse. Bei den Engelmachern gab es kein „Nature versus Nurture“. Das Böse war stärker als beides zusammen.
Das Programm widerstrebte jeder Faser seines Seins, doch er verstand die Notwendigkeit. Baldwin war immer ein guter Soldat gewesen. Er stimmte der Arbeit in der Gruppe unter einer Bedingung zu. Die US-Regierung setzte ihre Attentäter normalerweise nicht im eigenen Land ein. Doch falls einer dieser Männer jemals wieder einen Fuß in die Vereinigten Staaten setzen würde, würde man Baldwin darüber informieren. Er wusste, wozu diese Irren
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