Temptation: Weil du mich verführst
Familie geplaudert. Und die ganze Zeit über hatte sie sich gefragt, was in seinem Kopf vorgehen mochte, was er ihr wohl zu sagen hatte, wenn sie erst einmal allein waren.
Drei renommierte Galerien zeigten Interesse an ihren künftigen Arbeiten und wollten eine Schau im Museum für Zeitgenössische Kunst in Barcelona auf die Beine stellen. Sie hatte Ian fragend angesehen – schließlich war er offiziell der Besitzer der Bilder, doch er hatte die Entscheidung allein ihr überlassen. Vier Sammler hatten Gebote abgegeben, doch Ian hatte allesamt rundweg abgelehnt; eines davon sogar in Gegenwart ihres Vaters, der bei der Nennung des Preises kreidebleich geworden war. Allem Anschein nach hatte Ian mächtig Eindruck auf ihre Eltern gemacht, denn sie waren den ganzen Abend auffallend wortkarg und darauf bedacht gewesen, ihm alles recht zu machen – Ian musste glauben, all ihre Schilderungen über sie seien eine glatte Lüge gewesen. Francesca ärgerte sich ein wenig über ihre plötzliche Unterwürfigkeit, doch im Großen und Ganzen war sie erleichtert, dass sie den ganzen Abend halbwegs mit Anstand hinter sich gebracht hatten.
Ian schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Francesca stand vor ihm.
»Danke, Ian«, hauchte sie. »Ich fühle mich wie eine Ballkönigin.«
»Ich bin nur froh, dass du gekommen bist.«
»Hätten Davie und die anderen mich nicht ausgetrickst, hätte ich es wohl nicht getan. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du mich nach London, nach allem, was passiert ist, noch einmal sehen willst. Du warst so unglaublich wütend.«
»Das war ich. Aber das bin ich längst nicht mehr.«
»Nein?«, fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf, ohne den Blick von ihr zu wenden, und presste die Lippen aufeinander. »Nein. Aber anfangs konnte ich mir nicht erklären, was mit mir los ist. Als ich es dann wusste, musste ich eine Möglichkeit finden, es dir zu sagen. Ich musste mir eine Situation einfallen lassen, in der du nicht davonlaufen konntest. Ich muss mich bei dir entschuldigen, dass ich dich unter einem Vorwand herlocken musste.« Ein bitterer Zug erschien um seinen Mund. »Mir tut alles leid.«
Seine freimütige Erklärung ließ sie aufhorchen. »Was genau meinst du?«
»Alles. Von der ersten Kaltschnäuzigkeit, mit der ich dir begegnet bin, bis zur letzten egoistischen Respektlosigkeit. Es tut mir aufrichtig leid, Francesca.«
Sie schluckte. Aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht überwinden, ihm in die Augen zu sehen. Obwohl sie wusste, dass Gespräche wie dieses notwendig waren, erschien es ihr nach allem, was sie in London gesehen hatte, unwichtig und zweitrangig.
»Wie geht es deiner Mutter?«, fragte sie leise.
»Sie ist stabil«, antwortete er, noch immer gegen die Tür gelehnt. Nach ein paar Sekunden ließ er langsam den Atem entweichen und trat einen Schritt auf sie zu. Wie gebannt sah sie zu, wie er sein Smokingjackett auszog und über die Stuhllehne hängte. »Die Hoffnung, dass sich ihr Zustand unter dieser Medikation wesentlich verbessert, ist nicht allzu groß, aber er verschlechtert sich auch nicht. Das ist immerhin etwas.«
»Ja, das stimmt. Ich weiß, dass du mein Mitleid nicht willst, Ian. Das verstehe ich sehr gut. Ich bin auch nicht nach London geflogen, um dich zu bemitleiden.«
»Sondern?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
»Weil ich dir meine Unterstützung anbieten wollte. Obwohl ich nicht wusste, was mich in London erwartet, war mir klar, dass dort etwas sein muss, was dich sehr quält. Ich wollte für dich da sein. Das ist alles.«
Er lächelte schwach. »Du hast es so aussehen lassen, als wäre es etwas absolut Banales, Wertloses. Nein, ich habe es so aussehen lassen. Ich habe deinen Versuch, etwas Nettes und Liebevolles für mich zu tun, genommen und dir einfach vor die Füße geworfen«, erklärte er unverblümt.
»Ich weiß, dass du dich wehrlos und entblößt gefühlt hast, und das tut mir leid.«
Einen langen Moment herrschte Schweigen.
»Ich musste sie so lange beschützen«, sagte er schließlich.
»Ich weiß. Anne hat mir alles erzählt.«
Er runzelte die Stirn. »Großmutter war diejenige, die mir klargemacht hat, dass ich ein sturer, egoistischer Arsch bin. Sie hat eine geschlagene Woche lang kein Wort mit mir geredet, als ich gebeichtet habe, was ich im Krankenhaus zu dir gesagt hatte. Das hat sie noch nie vorher getan«, fuhr er mit gerunzelter Stirn fort, als sei er immer noch nicht ganz sicher, was er davon halten sollte, dass ihn seine
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