Tentakelwacht
Regierung bereit sein wird, den fast vollständigen Suizid der Menschheit anzuordnen, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Legard, doch ihrem Tonfall fehlte die absolute Gewissheit. Mirinda registrierte dies sorgfältig. Der irdischen Regierung schienen selbst ihre hochrangigen Dienerinnen – wie etwa die Kommandantin eines ihrer kampfstärksten Schiffe – einiges zuzutrauen, und offenbar nicht nur Gutes.
»Ein Gasplanet wie jene in Ihrem äußeren Sonnensystem wäre am besten geeignet. Natürlich könnte die Allianz durch eine spezielle Technologie, die den von Ihnen einstmals genutzten Einstein-Rosen-Brücken sehr ähnelt, selbst wieder ein Tor aktivieren. Aber Standardprozedur ist, dass dies nicht geschieht, wenn bereits ein Botschafter hindurchgeschickt und das Tor anschließend zerstört würde.«
»Die Tentakel könnten ein Tor für den Transfer in Ihr System nutzen?«
»Nein, sie würden diese Reise ebenso wenig überleben wie Überlichtflüge. Aber sie könnten Bomben oder andere Maschinen hindurchschicken, die uns erheblich schaden würden. Das möchten wir gerne vermeiden. Wie dem auch sei: Gewisse atmosphärische Zusammensetzungen hemmen die von mir beschriebene Strahlung. Wenn man dann noch in einem gut isolierten Fahrzeug – wie etwa der von Ihnen konstruierten Kapsel – die Reise antritt, sind die Passagiere sicher.«
»Wir beherrschen das äußere Sonnensystem aber nicht mehr.«
»Hier kommt die Kooperation ins Spiel, von der ich eben sprach«, erwiderte Sobhex. »Wir können die Auswahl der zu Evakuierenden vornehmen, das genetische Material sammeln , dann müssen wir alle in einem Vorstoß zum Jupiter oder den zweiten Gasriesen vordringen, das Tor zünden und die Transportkapseln aus unserem System anfordern, den Transfer decken und die Flucht durchführen. Es ist ein sehr riskantes Unterfangen, aber es ist nicht aussichtslos und kann den Fortbestand des Volkes der Menschen gewährleisten.«
»Ein Himmelfahrtskommando!«, entfuhr es einem der männlichen Offiziere.
»Ihr gesamtes System befindet sich derzeit auf einem kollektiven Himmelfahrtskommando«, erklärte Mirinda.
Legard schaute sie an, als ob sie nicht erwartet hätte, dass der Avatar einen Beitrag zur Diskussion leisten könnte.
Mirinda blieb gelassen.
»Die Frage ist doch: Ist es besser, einen sinnlosen Kampf um die Erde zu führen, der die Existenz der Menschen bestenfalls um Wochen hinauszögert, oder einen letztlich sinnvollen Vorstoß zu wagen, der die Erhaltung der Spezies zur Folge haben kann? Diejenigen, die kämpfen, sind in jedem Falle dem Tode geweiht. Wofür sie aber sterben, da gibt es eine Wahl.«
Sobhex nahm den Faden auf, ehe die Kommandantin die Gelegenheit hatte, auf Mirindas Äußerung zu reagieren.
»Ich kenne das Ethos der Menschen nicht zur Genüge«, erklärte er. »Das müssen Sie selbst einschätzen, Capitaine Legard.«
Diese sah ihn an, presste die Lippen aufeinander und nickte dann bedächtig. »Das entscheidet vor allem erst einmal die Regierung. Es dürfte letztlich davon abhängen …«
»… wer für die Evakuierung ausgesucht wird und ob die Flotte bereit ist, für deren Rettung ihr Leben hinzugeben«, vervollständigte Mirinda den Satz. Die Menschen nickten alle, fast automatisch. Sie hatte offenbar die Gedanken der Offiziere in Worte gefasst. Legard sah sie seltsam an, dann atmete sie tief ein.
»Botschafter, ich danke Ihnen für diese Einsichten. Ich werde mit meiner Regierung in Kontakt treten und diese Angelegenheit vortragen. Sobald die offiziellen Vertreter hier sind, da bin ich mir sicher, wird man konkretere Schritte vereinbaren und … die wichtigen Entscheidungen treffen können. Ich danke Ihnen auch die Bereitschaft, unser aller Risiko des Scheiterns mit uns zu tragen.«
»Das ist meine Aufgabe.«
»Da wäre noch eine weitere Sache.«
»Bitte, Capitaine.«
»Ungeachtet dieser Pläne befinden wir uns im Krieg, und obgleich Sie keine Hoffnung haben, will ich die meine noch nicht ganz aufgeben – und das gilt auch für die Militärführung.«
»Ich habe nichts anderes erwartet.«
»Die Tatsache, dass Sie die Tentakel so gut kennen und Ihre KI ganz sicher über umfassende Informationen über unseren gemeinsamen Feind verfügt, könnte den Sieg der Invasoren zumindest herauszögern. Wir sind daher hier sehr an einem schnellen und intensiven Austausch interessiert. Die beiden Herren hier haben eine lange Liste mit Fragen zu unterschiedlichen Themenfeldern
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