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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Rückseite der Hütte, um ein Ohr ans Fiberglas zu legen.
    »Wie wird er damit zurechtkommen, wenn er in Indien wieder auf eine normale Schule geht, sechs Stunden am Tag in einem festen Klassenzimmer, wo es ihm praktisch nie gelingt, auch nur fünf Minuten lang stillzusitzen? Je schneller er sich daran gewöhnt, desto geringer wird der Schock sein. Wenn wir warten, bis wir hier fertig sind, ist er… was weiß ich?… elf oder zwölf Jahre alt. Dann dürfte er nicht mehr zu kontrollieren sein!« Prabir erkannte, dass sein Vater schon seit längerer Zeit gesprochen hatte. Zu Beginn eines Streitgesprächs war er immer sehr ruhig, als hätte er gar keine Meinung zum Thema. Es dauerte mehrere Minuten, bis seine Stimme den gegenwärtigen Grad der Erregung angenommen hatte.
    Seine Mutter lachte – ihr Hört-hört-Lachen. »Du warst elf, als du zum ersten Mal ein Klassenzimmer betreten hast!«
    »Ja, und es war schwer genug für mich. Zumindest kam ich in Kontakt mit anderen menschlichen Wesen. Wie soll er sich vernünftig sozialisieren, wenn ihm nur ein Satellitenlink zur Verfügung steht?«
    Es folgte ein sehr lange anhaltendes Schweigen, dass Prabir sich bereits fragte, ob seine Mutter zu leise sprach, um sie von außerhalb der Hütte hören zu können. Doch dann sagte sie wehleidig: »Aber wo? Kalkutta ist zu weit weg, Rajendra. Wir würden ihn nie sehen.«
    »Es ist ein Dreistundenflug.«
    »Von Jakarta!«
    Sein Vater erwiderte durchaus berechtigt: »Wie soll ich es sonst messen? Wenn du die Zeit addierst, die es von hier nach Jakarta dauert, klingt jeder Ort auf der Erde zu weit entfernt!«
    Prabir empfand eine irritierende Mischung aus Heimweh und Angst. Kalkutta. Im Vergleich zu Ambon fünfzigmal so viel Menschen und Verkehr, zusammengepfercht auf fünfmal so viel Landfläche. Selbst wenn er sich irgendwann wieder an die Menschenmassen gewöhnte, kam ihm die Vorstellung, ohne seine Eltern und Madhusree ›heim‹zufahren, viel schlimmer vor, als an irgendeinem anderen Ort ausgesetzt zu werden – so surreal und verwirrend, als würde man eines Morgens aufwachen und feststellen, dass sie alle über Nacht verschwunden waren.
    »Nun, Jakarta kommt nicht infrage.« Keine Erwiderung war zu hören; vielleicht hatte sein Vater lediglich zustimmend genickt. Darüber hatten sie schon oft gesprochen: In ganz Indonesien entluden sich immer wieder Aggressionen gegen die chinesische ›Händlerklasse‹; und obwohl die indische Minderheit vergleichsweise winzig und unsichtbar war, schienen seine Eltern zu befürchten, er könnte jedes Mal verprügelt werden, wenn wieder einmal die Preise erhöht wurden. Prabir konnte sich nicht recht vorstellen, dass Menschen ein so bizarres Verhalten an den Tag legen würden, aber der Anblick uniformierter und reglementierter Kinder, die während des Schulausfluges nach Ambon patriotische Lieder sangen, machte ihn dankbar für jeden Grund, der ihn von indonesischen Schulen fernhielt.
    Sein Vater wechselte in einen versöhnlicheren Tonfall. »Wie wäre es mit Darwin?« Prabir erinnerte sich noch recht deutlich an Darwin, weil sie dort zwei Monate verbracht hatten, als Madhusree geboren wurde. Es war eine saubere, ruhige, wohlhabende Stadt – und da sein Englisch viel besser als sein Indonesisch war, hatte er dort weniger Schwierigkeiten gehabt, sich mit anderen Menschen zu unterhalten als in Ambon. Trotzdem wollte er nicht dorthin verbannt werden.
    »Vielleicht.« Wieder Schweigen, dann sagte seine Mutter plötzlich begeistert: »Was ist mit Toronto? Er könnte dort bei meiner Cousine wohnen!«
    »Jetzt redest du Unsinn. Die Frau ist geistesgestört!«
    »Aber sie ist harmlos. Und ich schlage keineswegs vor, dass sie für seine Erziehung verantwortlich sein soll. Wir werden sie lediglich für Kost und Logis entschädigen. Dann müsste er wenigstens nicht in einem Schlafsaal mit lauter fremden Kindern wohnen.«
    Sein Vater prustete. »Er hat sie noch nie gesehen!«
    »Trotzdem gehört sie zur Familie. Und da sie unter meinen Verwandten die einzige ist, die noch mit mir spricht…«
    Unvermittelt wechselte das Gesprächsthema zu den Eltern seiner Mutter. Prabir hatte das alles schon oft genug gehört, sodass er nach einigen Minuten in den Wald ging.
    Er musste sich überlegen, wie er das Thema ansprechen und seine Ansichten verdeutlichen konnte, ohne erkennen zu lassen, dass er gelauscht hatte. Und er musste schnell handeln, denn seine Eltern besaßen ein grenzenloses Selbstvertrauen, dass sie

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