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Terra Anchronos (German Edition)

Terra Anchronos (German Edition)

Titel: Terra Anchronos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andree Leu
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Den ganzen Ruhm werde ich allein ernten. Das Schönste aber ist, dass dieses ehrwürdige Observatorium seiner Majestät in Greenwich, London, nach Jahren endlich wieder der Ort auf der Welt ist, wo die Zeit gemacht wird. Und als Erstes werden wir den 29. Februar abschaffen.“
    Der freudig erregt durch den Raum schreitende Astronom blieb wie angewurzelt stehen, als er den Lichtschalter betätigte und der Raum in helles Licht getaucht wurde. Nur einen halben Meter vor ihm stand Arne.

Das Sternbild  der Schlange
    Noch bevor der Astronom einen Ruf des Erstaunens ausstoßen konnte, war er zur Tür geeilt, um sie zu verriegeln. Den Schlüssel steckte er in die Hosentasche und drehte sich dann wieder zu Arne um.
    „Wo kommst du her?“, war seine erste Frage, die er an Arne richtete.
    Arne war kaum in der Lage zu antworten, so sehr faszinierte ihn das Aussehen des Mannes, der dicht vor ihm stand. Nie hätte er gedacht, jemals einem leibhaftigen Astronomen gegenüberzustehen. Arnes Blick wanderte von den Füßen des Mannes, die in ausgetretenen Sandalen steckten, weiter nach oben. Über dem verstaubt wirkenden, abgewetzten braunen Anzug trug der Mann einen ehemals weißen Kittel, der mehrfach von Kaffeeflecken geziert war. Die Taschen des Kittels waren ausgebeult. Arne konnte einen Schreibblock erkennen, auf dem unordentliche und nicht zu entziffernde Notizen geschmiert waren. Der Anzugjacke unter dem offenstehenden Kittel fehlte ein Knopf. Die Übrigen waren jeweils eine Reihe zu hoch geschlossen, was die Erscheinung des Mannes ein wenig zerstreut wirken ließ.
    Der Astronom öffnete seine Jacke. Von einem Knopfloch der darunter sichtbar werdenden Weste hing in sanftem Bogen eine silberne Kette, die in der rechten Westentasche verschwand. Arnes Gegenüber zog an der Kette und brachte eine fast antike Taschenuhr zum Vorschein, deren Deckel er mit dem Druck seines Daumens aufspringen ließ. Als ob er seinem betagten Zeitmesser nicht recht vertrauen wollte, verglich der Astronom die Zeit mit der Wanduhr über der Tür und ließ die Uhr scheinbar zufrieden wieder in die Tasche gleiten.
    Vor dem faltigen Hals des Mannes sah Arne eine leuchtend rote Krawatte blinken, die ihre besten Tage wohl schon lange hinter sich gelassen hatte. Der Stoff war an den Rändern abgestoßen und wirkte sehr fadenscheinig.
    Das Gesicht des Mannes jedoch überraschte Arne.
    Zwar standen die dünnen weißen Haare um die Halbglatze herum wirr vom Kopf ab, als ob er sich nach dem Aufstehen nicht gekämmt hätte. Doch die Augen dieses Menschen, hinter winzigen kreisrunden Gläsern, wirkten hellwach. Keine Spur von Müdigkeit ließ sich erkennen. Aus ihnen sprachen Wissensdurst und Tatendrang. Viel mehr war vom Gesicht nicht zu erkennen, denn ein struppiger weißer Bart bedeckte fast alle Falten in den Zügen des Mannes. Arne vermutete dennoch, dass er mindestens siebzig Jahre alt sein musste. Die Altersflecken auf dem Handrücken des Astronomen veranlassten Arne zu dieser Schlussfolgerung.
    „Wo bin ich?“, stotterte Arne, ohne auf die Frage des Astronomen einzugehen.
    „Du bist im ehrwürdigen Observatorium Ihrer Kö niglichen Majestät von England.“
    „Greenwich, London?“, fragte Arne, um sicherzugehen.
    „Eben dort“, antwortete der Astronom. „Und nun stelle ich wieder die Fragen, junger Mann. Wie bist du in dieses Observatorium gekommen?“
    „Ich weiß es selbst nicht genau. Plötzlich war ich da.“ Arne kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    „Verlaufen hast du dich also. Hab ich denn die Eingangstür unten nicht abgeschlossen?“
    „Nein.“ Arne schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht durch die Tür gekommen.“
    „Etwa vom Himmel gefallen?“ Der Astronom lachte leise in sich hinein, blickte Arne aber freundlich an.
    Am Arm geführt, wurde Arne zu einer kleinen Sitzgruppe am anderen Ende des Raums begleitet.
    „Setz dich!“, forderte der alte Mann den Jungen auf und knipste eine kleine Tischlampe an. Das grelle Neonlicht löschte er und setzte sich dann ebenfalls. Im matten Schein der Lampe konnte Arne das Gesicht des Astronomen kaum noch erkennen.
    „Erzähle mir deine Geschichte.“
    „Das wird lange dauern. Ich weiß auch gar nicht, wo ich anfangen soll.“
    „Kein Problem. Ich habe Zeit. Das gehört zu meinem Beruf. Am besten, du beginnst mit dem Anfang.“
    Der Astronom beugte sich ein wenig vor und lä chelte dem Jungen aufmunternd zu. Arnes Gedanken schossen wie Blitze durch seinen Kopf. Doch schließ lich, nach

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