Terrorist
Kain mit dem Mal dieses Staubs gezeichnet ist. Mohammed war ein Sterblicher, doch er hat das Paradies gesehen und die Wirklichkeit dort erfahren. Unsere Taten und Gedanken wurden dem Bewusstsein des Propheten in goldenen Lettern eingeschrieben wie die lodernden Worte von Elektronen, die ein Computer aus Pixeln erzeugt, während wir auf der Tastatur tippen.
Auf den High-School-Fluren riecht es nach Parfüm und Körperausdünstungen, nach Kaugummi, unreinem Kantinenessen und nach Stoffen, erwärmt von jungen Körpern – Baumwolle, Wolle und das synthetische Material der Sneakers. Zwischen den Unterrichtsstunden herrscht ein tosendes Hin und Her; der Krach überdeckt als dünne Schicht die darunter brodelnde, gerade noch gezügelte Gewalt. In der Flaute am Ende des Schultages, wenn der auftrumpfende, höhnische Rummel des Aufbruchs sich gelegt hat und nur noch die Schüler, die an Arbeitskreisen teilnehmen, in dem großen Gebäude zurückbleiben, macht sich Joryleen Grant manchmal an Ahmed heran, wenn er in seinem Spind kramt. Er treibt im Frühjahr Leichtathletik; sie singt im Mädchenchor. Nach den Maßstäben von Central High sind sie beide «brave» Schüler. Ihn hält seine Religion von Laster und Drogen fern, allerdings auch auf Distanz zu seinen Klassenkameraden und zu den Fächern des Lehrplans. Joryleen ist klein und rundlich, sie weiß sich im Unterricht gut auszudrücken, was dem Lehrer gefällt. Sie verströmt ein gewinnendes Selbstvertrauen, wenn ihre braunen Rundungen so prall die Sachen füllen, die sie trägt – heute mit Flicken und Strass besetzte Jeans, auf der Sitzfläche verblichen und abgewetzt, und darüber ein dunkelrotes, geripptes Shortyüberteil, das sowohl weiter ausgeschnitten als auch kürzer ist, als es sich schickt. Blaue Plastikspangen ziehen ihr Haar so glatt nach hinten, wie es nur geht; im wulstigen Rand ihres rechten Ohrs stecken mehrere kleine Silberringe. Sie singt bei Schulanlässen, immer Lieder, in denen es um Jesus oder um sexuelles Verlangen geht, beides Themen, die Ahmed zuwider sind. Dennoch freut es ihn, dass sie von ihm Notiz nimmt und ihn ab und zu umspielt wie eine Zunge einen empfindlichen Zahn.
«Kopf hoch, Ahmed», sagt sie neckisch. «So schlimm kann’s doch gar nicht stehen.» Sie rollt mit der halbnackten Schulter, deutet ein Achselzucken an, um ihm zu zeigen, dass sie es nicht ernst meint.
«Tut’s auch nicht», sagt er. «Ich bin nicht traurig.» Vom Duschen nach dem Lauftraining kribbelt es ihn unter den Kleidern – weißes Hemd, schmale schwarze Jeans – an seinem ganzen langen Körper.
«Du siehst unheimlich ernst aus», stellt sie fest. «Du solltest dir angewöhnen, mehr zu lächeln.»
«Warum? Warum sollte ich denn lächeln, Jorylcen?»
«Weil dich die Leute dann mehr mögen.»
«Das ist mir egal. Ich will gar nicht gemocht werden.»
«O doch», sagt sie. «Jeder will gemocht werden.»
«Du bestimmt», sagt er höhnisch von seiner jüngst erlangten Höhe hinab. Wie große Blasen wölben sich ihre Brüste in den runden Ausschnitt ihres unanständigen Oberteils, das an seinem unteren Saum das Fett auf ihrem Bauch und den Umriss ihres tief liegenden Nabels entblößt. Ahmed stellt sich vor, wie ihr glatter brauner Körper, dunkler als Karamel, jedoch heller als Schokolade, in jener Feuerhölle schmort und sich mit Brandblasen überzieht; ein Anflug von Mitleid überkommt ihn, denn sie versucht ja, nett zu ihm zu sein, wie es dem Bild, das sie von sich hat, entspricht. «Hauptsache, du bist beliebt –», sagt er verächtlich.
Das kränkt sie, und sie wendet sich ab, wobei sie den Stapel von Büchern, die sie mit nach Hause nehmen will, von unten gegen ihre Brüste presst, sodass sich die Kluft zwischen ihnen vertieft. «Du bist ein Arsch, Ahmed», sagt sie, versuchsweise noch eine Spur liebevoll, und lässt ihre weiche, volle Unterlippe ein wenig hängen. Das Flicht der Neonröhren an der Decke, die den Gang in sichere Helligkeit tauchen, bricht sich funkelnd auf ihrem speichelnassen Zahnfleisch. Zwar hat sich Joryleen schon abgewandt, um dem Gespräch ein Ende zu machen, versucht aber noch zu retten, was zu retten ist, und setzt hinzu: «Wenn’s dir egal war, würdst du dich doch nicht in Schale werfen wie ein Prediger und jeden Tag ein frisches weißes Hemd anziehen. Wieso lässt deine Mutter sich das eigentlich gefallen, die ganze Bügelei?»
Er spricht nicht aus, dass seine wohlüberlegte Art, sich zu kleiden, eine neutrale Botschaft
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