Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
Aber Ihr Mitfahrer hatte in seiner Tasche zwei Kilogramm Heroin, mehrere Platten Haschisch und einen großen Beutel Kokain.« Die drei starren die Beamten fassungslos an. Dass der Typ Drogen an Bord hatte, war ja mittlerweile klar, aber so viel! »Ach ja, lassen Sie sich bei Gelegenheit mal auf Hepatitis B untersuchen. Damit hat sich Ihr Mitfahrer auch noch angesteckt. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.« Dann steigt der Beamte eilig in den weißen BMW und braust davon. Hinten sitzt der Typ.
Grimmig starren seine Mitfahrer ihn an. Das Schwein hat sie alle reingeritten – und vielleicht auch noch mit Hepatitis B angesteckt, am liebsten würden sie ihn verklagen. Aber was soll das bringen? Der wird die nächsten Jahre ohnehin im Knast sitzen. Irgendwann wird er vielleicht auch abgeschoben, denn er kommt nicht aus Deutschland, sondern aus der Dominikanischen Republik. Dorthin wollte er sich auch am nächsten Morgen absetzen. Aber Johns Wut ist schnell verraucht. Ein paar Tage später erfährt er, dass weder er noch seine Mitfahrer sich mit Hepatitis B angesteckt haben.
Nachdem die Polizisten abgedampft sind, sammeln John und die beiden anderen das verstreute Verbandszeug zusammen und verstauen auch den Rest wieder im Wagen. Über zwei Stunden nachdem sie auf den Rastplatz gefahren sind, geht es nun endlich weiter. Schuldbewusst schaut John die beiden anderen an. »Es tut mir echt leid, aber ich musste wirklich total dringend aufs Klo.« Die anderen Insassen winken ab. Die Polizisten hätten sowieso irgendwann zugegriffen. Wenn nicht in der Pinkelpause, dann eben eine Stunde später beim Tanken. John grinst. War schon besser, dass sie gleich gefilzt worden sind. Noch eine Stunde länger hätte er ohne Pinkeln nicht ausgehalten. Da hätte der Beamte dann beim Abtasten wenigstens ordentlich geflucht …
Schuld an Kurts Glück ist eine Wette. Im Mai 2006 erinnert er sich mit seinem Kumpel Steffen an die totale Sonnenfinsternis sieben Jahre zuvor. Beide hatten zu der Zeit in Passau studiert, waren aber an dem Tag nicht dort. Jetzt fragen sie sich, ob dort 1999 die vollständige Sonnenfinsternis zu sehen war oder nicht. Kurt ist sich sicher, dass die Passauer damals für ein paar Sekunden im Vollschatten standen. Steffen wettet dagegen – und gewinnt. Weil Kurt verloren hat, muss er Steffen eine große Druckgraphik des Fotografen Karl Blossfeldt schenken und zu ihm nach Hannover bringen.
Normalerweise bedeutet Autofahren für Kurt puren Stress. Deshalb nimmt er gerne den Zug. Doch jetzt grübelt er: ›Soll ich wirklich ein gerahmtes Bild am Freitagnachmittag in einem vollbesetzten ICE transportieren? Vielleicht tritt dann noch jemand mit dem Fuß auf den Blossfeldt und zerstört ihn? Das wäre der Super-GAU.‹ Dann das Bild doch lieber sicher im Kofferraum eines Autos verstauen. Doch woher auf die Schnelle einen Wagen nehmen? Von Freunden hat er von der Mitfahrzentrale gehört, also klickt er sich durch die Internetseite und meldet sich bei einer Diana, die eine Fahrt nach Hamburg mit Zwischenstopp Hannover anbietet. Sie sagt sofort zu – auch für die Rückfahrt zwei Tage später.
Eine Wette hat Diana nicht verloren. Trotzdem muss auch sie an diesem Freitag im Mai 2006 in den Norden Deutschlands. Denn ihre Schwester heiratet in Hamburg – an zwei Wochenenden hintereinander. Einmal feiert sie mit der Familie, das andere Mal schmeißt sie eine Party für ihre Freunde. Klar, dass Diana trotz der 800 Kilometer an beiden Wochenenden von München nach Hamburg fährt. Doch ihr Freund Carsten hat darauf überhaupt keinen Bock. Einmal Hamburg reicht ihm. Weil Diana beim zweiten Mal nicht alleine fahren will, schlägt ihr Carsten vor, Begleiter über die Mitfahrzentrale zu suchen. Kurt meldet sich als erster und klingt sympathisch. ›Den nehme ich mit‹, denkt Diana.
»Oh mein Gott«, denkt sich Kurt, als am Freitagnachmittag ein älterer Opel Astra Kombi mit niederbayerischem Kennzeichen vor ihm hält. An der Antenne weht ein Hochzeitsschleifchen. Sieben Stunden in der Karre mitfahren? In dem alten Auto gibt es bestimmt keine Klimaanlage, außerdem kommt die Fahrerin aus der tiefsten Provinz. Das kann ja heiter werden. Sein erster Eindruck von Diana ist nicht gerade positiv, zumal sie auch noch zu spät dran ist.
Kaum hat es sich Kurt auf dem Beifahrersitz bequem gemacht, fängt er an zu quatschen. Ab und zu wirft Diana ein paar Brocken ein. Was für eine Labertasche, denkt sie sich. Aber nett ist er.
Weitere Kostenlose Bücher