Teufel in High Heels
Prolog
Durchgeknallt
Mein Hochzeitstag. Noch zwei Stunden bis zu dem großen Moment, an dem ich vor den Altar treten soll.
Beatrice, meine beste Freundin, hilft mir, das Kleid über den Kopf zu ziehen, sieht lächelnd zu, wie es unter viel Geraschel an mir herabgleitet, und schließt die schmale Leiste mit den zierlichen Knöpfen am Rücken. Dem Himmel sei Dank für Bea , denke ich - zum zigsten Mal an diesem Tag. Gemeinsam betrachten wir die Braut im Spiegel. Sie sieht exakt so aus, wie Bräute auszusehen haben: das mahagonibraune Haar im Nacken zu einem eleganten Knoten geschlungen, tadellos geschminkt, Porzellanteint, tropfenförmige Brillantanhänger in den Ohrläppchen.
Ich mache eine Drehung, um zu sehen, ob die Braut im Spiegel meinem Beispiel folgt - was sie natürlich brav tut. Um daraufhin die grandiose Schleppe zu mustern (eine Maßanfertigung von Vera Wang höchstpersönlich), die ein Dutzend Näherinnen aus dem Haus Lesage mit klitzekleinen, märchenhaft glitzernden Diamanten bestickt haben.
»Du bist eine Wucht, Claire«, sagt Bea - was soll man auch sonst zu einer Frau sagen, die solch ein Wunderwerk trägt. Wir starren mich in dem vergoldeten Spiegel an. Keine von uns beiden kann sich ein Lächeln abringen.
Ein knöchernes Klopfen an der Tür zu meiner Brautsuite reißt uns aus unserem Dämmerzustand.
»Es ist offen«, ruft Bea, und hereingeprescht kommt Lucille Cox, meine zukünftige Schwiegermutter - ein Gesicht wie ein ausgezehrter Dobermannpinscher, eine Figur wie ein zaundürres achtjähriges Knäblein.
»Ich überbringe ein Geschenk des Bräutigams!«, trompetet sie - was ihr an Statur fehlt, macht sie gern in Dezibeln wieder wett. Heute wirkt sie noch kleiner und lauter als sonst, ertrinkt schier in ihrer scharlachroten Robe von Oscar de la Renta, die unter Garantie drei Mal mehr gekostet hat als das Auto meiner Mutter. Die Aufregungen rund um die Hochzeitsvorbereitung haben ihre ohnehin spartanische Diät auf ein äthiopisches Minimum reduziert. Jede Taube im Central Park ist besser genährt als diese Schnepfe.
»Oh, Claire, Schätzchen , du siehst …« Offensichtlich in Ermangelung liebenswürdiger Adjektive presst Lucille eine schwer mit Klunkern bestückte Hand auf ihr sommersprossiges knochiges Dekolleté. Und führt den Satz zum Sieg: »Du siehst deiner Mutter geradezu zum Verwechseln ähnlich.«
Druckerpressen anhalten - hat Lucille dieses eine Mal tatsächlich ins Schwarze getroffen? Es haut mich um: Sie, die mit Vorliebe ins Fettnäpfchen tritt (statt abwechslungshalber mal ein Milligramm Butter zu sich zu nehmen), hat mir mein absolutes Lieblingskompliment gemacht - das im Übrigen, wie ich weiß, das höchste Lob ist, das sie zu vergeben hat. Lucille vergöttert meine Mutter, seit die beiden in Vassar gemeinsam in einem Studentenzimmer gehaust haben.
Mich überkommt so etwas wie Dankbarkeit. Gefühlsduseleien , die Lucille überhaupt nicht abkann. Weshalb sie mir fast schon grob ein Samtkästchen in die Hand drückt.
»Mach es auf!«, kommandiert sie.
Ich tue brav wie geheißen - meine neueste schlechte Angewohnheit. Löse die Verschlussspange und stemme das störrische Scharnier des Kästchens auf. Auf einem üppigen schwarzen Samtkissen ruht ein atemberaubendes Diamantcollier - das teuerste Schmuckstück, das ich je in meinem Leben gesehen, geschweige denn in Händen gehalten habe.
»Ach, meine Liebe «, schnurrt Lucille mit so verzücktem Blick auf die Kette, als wäre es ihr erstes Enkelkind. »Vintage Bulgari. Eine Wucht .« Ich lege sie mir um den Hals, und zu dritt wenden wir uns erneut dem Spiegel zu. Perfekt. Absolut sensationell. Die Sekretärin meines Verlobten hat wirklich einen erlesenen Geschmack.
» Und ich habe einen Vorabdruck der Sonntagsausgabe ergattert«, jubiliert Lucille, lässt ihre Handtasche von Judith Leiber aufschnappen und hält mir einen Zeitungsausschnitt hin.
Claire Truman,
Randall Pearson Cox III
Claire Truman, Tochter des verstorbenen Charles Truman und seiner Frau Patricia aus Iowa City, Iowa, und Randall Pearson Cox III, Sohn von Lucille und Randall Cox II aus Palm Beach, Florida, gehen am heutigen Tag in der St. James’ Episcopal Church in New York City die Ehe ein.
Miss Truman, 27, hat ihr Anglistikstudium in Princeton mit Auszeichnung abgeschlossen und arbeitet derzeit als Lektorin bei Grant Books. Ihre Mutter ist Malerin, ihr verstorbener Vater war Dichter und lehrte als Professor an der University of Iowa.
Mr. Cox, 31,
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