Teufel in High Heels
als sich mir die Möglichkeit eines Vorstellungsgesprächs bei dem legendären Jackson Mayville bot, bat ich die zuständige Dame von der Personalabteilung des anderen Verlags um etwas Bedenkzeit. Immerhin ging es hier um Jackson Mayville - der einige der bedeutendsten literarischen Größen des Jahrhunderts als Lektor begleitet hatte und wahrhaftig eine Klasse für sich war.
Schon in jungen Jahren hatte ich gewusst, dass ich Lektorin werden wollte. In der Highschool vertiefte ich mich in die Danksagungen von Romanen, die mir besonders gefielen, und träumte mit offenen Augen davon, eines Tages von einem brillanten schriftstellerischen Talent als diejenige gerühmt
zu werden, die »das Buch möglich gemacht« oder »mit ihren klugen, einfühlsamen Korrekturen bereichert« hatte. Würde ich einmal für einen künftigen Starautor das sein, was Maxwell Perkins für Hemingway, Scott Fitzgerald und Thomas Wolfe war? Bei Jackson Mayville von der Pike auf zu lernen, erschien mir als ein erster großer Schritt auf dem Weg dorthin.
Und war es auch, wie sich herausstellte. Fünf Jahre mit Jackson - sie waren wie im Flug vergangen, und ich hatte mehr von ihm gelernt, als ich mir je hätte träumen lassen.
Sicher, es war nicht immer ein Zuckerschlecken gewesen - weder beruflich noch privat. Fünf Jahre, in denen ich mich abstrampelte, um über die Runden zu kommen, und eine Beziehung nach der anderen scheitern sah, in denen meine Freunde sich häuslich einrichteten, während ich an den meisten Abenden immer noch Dosensuppen aufwärmte. Andererseits hatte ich in den fünf Jahren meine Grundausbildung bei einem talentierten und großherzigen Mentor absolviert, privat nichts anbrennen lassen und meine Unabhängigkeit in vollen Zügen ausgekostet - es glich sich also letztlich wieder aus.
Doch jetzt, nachdem Jackson wegfiel, drohte das Gleichgewicht zu kippen.
Und ehrlich gesagt war ich mein bewegtes Privatleben langsam leid. Die Beziehung mit James hatte mich völlig ausgelaugt, aber das galt eigentlich für die meisten meiner Affärchen aus der letzten Zeit. Es kam mir vor, als würde ich mir die Typen nur noch schönreden: Nein, er ist kein totaler Schwachkopf (Was soll’s, wenn er nicht auf Opern steht? Oder auf Museen... oder Zeitungen... und beim Lesen immer die Lippen bewegt?) . Nein, er ist kein Schlaffi (Was soll’s, wenn er seit
zehn Jahren arbeitslos ist? Er ist eben nicht materialistisch eingestellt. Und in seiner Männlichkeit so gefestigt, dass er mich alles zahlen lässt.). Nein, er ist kein unsensibles Arschloch (Was soll’s, wenn er mich fast eine Stunde im Restaurant warten lässt? Er ist Latino!).
Ich klickte auf eine weitere Episode von »24«. Und kam zu dem Schluss, dass an Tagen wie diesen doppelte Portionen angesagt waren . Also rief ich bei Mimi’s an und bestellte Nachschub. Manche Leute machen Yoga, andere rennen zum Therapeuten - wenn mir das Leben übel mitspielt, rette ich mich mit tonnenweise Salamipizza.
Jackson fortan nicht mehr tagtäglich zu sehen, setzte mir nicht nur emotional zu. Es stellte mich auch vor ganz konkrete Probleme. Unzählige Male hatte er sich in den vergangenen Jahren für mich in die Bresche geworfen und dafür gesorgt, dass Gordon Haas, der Verleger, wenigstens ein paar von meinen Vorschlägen zur Kenntnis nahm; er hatte meine Beförderungen durchgeboxt und mit der Personalabteilung mehrmals um dringend erforderliche Gehaltserhöhungen gerungen. Welche Konsequenzen würde sein Ausscheiden für mein Fortkommen bei P&P haben? Den Job behielte ich auf alle Fälle, so hatte man mir jedenfalls unverzüglich versichert, aber ohne einen starken Verbündeten wie Jackson war davon auszugehen, dass ich vorerst keine großen Karrieresprünge zu erwarten hatte. Was mich nicht sonderlich fröhlich stimmte, nachdem ich fünf Jahre gebraucht hatte, um es bis zur festangestellten Lektoratsassistentin zu bringen - eine Zeitspanne, die der Verlag als kurz erachtete.
Ich steckte mir die achte Zigarette an diesem Abend an und versuchte mich auf Kiefer Sutherland zu konzentrieren, was normalerweise kein Problem für mich darstellte.
Der Knackpunkt war, dass ich ohnehin schon immer reichlich Mühe hatte, bis zu Gordon vorzudringen, sprich: seine Billigung und finanzielle Unterstützung für ein Buchprojekt zu bekommen. Wie sollte ich je die Beförderung zur ordentlichen Lektorin schaffen, wenn ich mein Gespür für gute Bücher nie unter Beweis stellen konnte? Eine ausweglose Situation,
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