Teufelsjagd
allerdings«, antwortete Ranulf. »Aber wir wissen nicht, wo sie sind, und sie sind zweibeinig!«
Ehe der entsetzte Mann noch etwas erwidern konnte, war Ranulf schon mit Corbett in der Schenke verschwunden. Der Wirt in seiner schmutzigen Schürze, der sich gar nicht oft genug verbeugen konnte, führte sie in die Dachkammer, die Ranulf gemietet hatte. Der muffige Raum war mit einem Bett mit einer Matratze aus Stroh, einem Tisch, einer Bank und zwei Hockern eingerichtet. Ranulf streckte sich auf dem Bett aus, nur um sofort wieder aufzuspringen und über die Flöhe zu fluchen, die bereits auf seinen Gamaschen herumkrabbelten. Er setzte sich auf einen Hocker in das offene Fenster und sah Corbett dabei zu, wie dieser seine Kanzleitasche öffnete und seine Schreibgeräte aufbaute — Feder, Bimsstein und Tintenhorn.
»Was sollen wir jetzt tun, Herr?« fragte Ranulf heftig. Corbett grinste. »Wir sind in Oxford, Master Ranulf, und so wollen wir der Methode des Sokrates folgen. Wir stellen eine Hypothese auf und untersuchen diese dann gründlich.«
Er hielt inne, da es an der Tür klopfte und eine Magd fragte, ob sie etwas zu essen oder trinken wünschten. Corbett lehnte dankend ab.
»Also«, begann er, »der Bellman. Er ist ein Verräter, der Proklamationen verfaßt, in denen für die Sache des lang verstorbenen de Montfort Partei ergriffen wird. Er heftet sie an den Portalen von Kirchen oder Colleges überall in der Stadt an. Das passiert offenbar immer nachts. Der Bellman behauptet, daß er in Sparrow Hall lebt. Welche Fragen stellen wir also jetzt?«
»Ich kann nicht verstehen«, meinte Ranulf, »warum wir der Identität des Bellman nicht über seine Handschrift und seinen Schreibstil auf die Spur kommen?«
Corbett tauchte seine Feder in das offene Tintenfaß und fing vorsichtig an, auf das Pergament zu schreiben. Dann reichte er das Blatt Ranulf, der das Gesicht verzog und es zurückgab.
»Der Bellman«, erklärte er. »Das sind dieselben Buchstaben. Man denkt, es sei dieselbe Handschrift.«
»Genau«, entgegnete Corbett. »Die Kanzleischrift, Ranulf, ist, wie du weißt, unpersönlich. Alle Schreiber der Kanzlei und des Schatzamtes lernen, welche Federn und welche Tinte sie benutzen müssen und wie man die Buchstaben formt. Dahinter versteckt sich der Bellman. Selbst wenn wir den Schreiber finden, heißt das noch lange nicht, daß er auch der Bellman ist.«
»Aber warum legt er soviel Wert darauf, daß er in Sparrow Hall lebt?« fragte Ranulf.
»Ja, das verwirrt mich auch. Warum Sparrow Hall überhaupt erwähnen? Warum nicht die St. Michael’s Church oder die St. Mary’s Church oder sogar das Gefängnis von Bocardo?«
»Da ist doch dieser Fluch?« gab Ranulf zu bedenken. »Vielleicht weiß der Bellman davon? Er will nicht nur den König verhöhnen, sondern auch das Andenken von Sir Henry Braose, dem Gründer von Sparrow Hall.«
»Das würde mir einleuchten«, erwiderte Corbett. »Diese Proklamationen haben etwas Übermütiges und einen gewissen Witz. Der Bellman kommt vielleicht in Wahrheit von ganz woanders, aber er hofft, daß der König über Sparrow Hall in Wut gerät und das College bestraft. Und doch«, er kratzte sich am Kopf, »glauben wir, daß sich der Bellman in Sparrow Hall aufhält, und zwar aufgrund der Tatsache, daß Copsale unter geheimnisvollen Umständen in seinem Bett gestorben ist und Ascham in seiner Bibliothek, daß Passerel in der St. Michael’s Church vergiftet wurde und daß Langton gestern abend vor unseren Augen starb.«
»Ja«, meinte Ranulf. »Der Mord an Langton scheint zu beweisen, daß der Meuchelmörder in Sparrow Hall lauert.«
»Laß uns weitermachen«, sagte Corbett. »Der Bellman hängt also seine Proklamationen auf. Er tut das mitten in der Nacht. Wer kann wie eine Fledermaus durch die Straßen streifen?«
»Von denen in Sparrow Hall?« entgegnete Ranulf. »Alle Lehrer, einschließlich Norreys, sind kräftige Männer. Lady Mathilda jedoch hat keinen Grund, das College zu hassen, das ihr Bruder gegründet hat. Ich sehe sie nicht vor mir, wie sie nachts mit dem Arm voll Proklamationen durch die Straßen von Oxford humpelt.«
»Da ist dann noch Master Moth!« meinte Corbett.
»Der ist doch beschränkt, ein Taubstummer, der weder lesen noch schreiben kann. Mir ist das gestern abend in der Bibliothek aufgefallen. Er nahm ein Buch und hielt es verkehrt herum.« Ranulf grinste. »Könnt Ihr ihn Euch vorstellen, Herr, wie er im Stockdunkeln durch die Straßen von Oxford
Weitere Kostenlose Bücher