Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
1
Alexia ärgert sich über Zelte und Ivy hat etwas bekannt zu geben
S ie sind was?!«
Lord Conall Maccon, der Earl of Woolsey, brüllte. Laut. Das durfte man von Lord Maccon auch erwarten, da er generell ein Gentleman der lauten Sorte war – die ohrenbetäubende Kombination aus kräftigem Lungenvolumen und einem mächtigen, breiten Brustkorb.
Alexia Maccon, Lady Woolsey und Muhjah, der Königin Großbritanniens außernatürliche Geheimwaffe der Extraklasse, erwachte blinzelnd aus einem tiefen und wohligen Schlummer.
»Ichwarsnicht«, murmelte sie sofort, ohne auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung zu haben, worüber sich ihr Gemahl so aufregte. Natürlich war sie es für gewöhnlich doch , aber es hatte keinen Sinn, gleich ein Geständnis abzulegen, gleichgültig, welche Laus ihm diesmal über die Leber gelaufen war. Alexia kniff fest die Augen zu und wühlte sich tiefer in die wohlige Wärme der Daunendecke. Konnten sie denn nicht später darüber streiten?
»Was meinen Sie mit verschwunden ?« Das Bett erzitterte leicht unter der bloßen Lautstärke von Lord Maccons Gebrüll. Das Erstaunliche daran war, dass er auch nicht annähernd so laut war, wie er sein konnte, wenn er sich wirklich ins Zeug legte.
»Nun ja, ich hab ihnen jedenfalls nicht gesagt, sie sollen verschwinden«, murmelte Alexia in dem Versuch, sich zu verteidigen, in ihr Kopfkissen. Sie fragte sich, wer »sie« wohl waren. Dann dämmerte ihr allmählich die Erkenntnis, auf eine verschwommene, watteweiche Art und Weise, dass er gar nicht sie anbrüllte, sondern jemand anderen. In ihrem Schlafzimmer.
Du liebe Güte.
Es sei denn, er brüllte sich selbst an.
Du liebe Güte!
»Was, alle ?«
Alexias wissenschaftliche Seite wunderte sich träge über die Kraft von Schallwellen – hatte sie nicht vor Kurzem eine Publikation der Royal Society zu diesem Thema gelesen?
»Alle auf einmal?«
Lady Maccon seufzte schwer, rollte sich zu dem Gebrüll herum und hob eines ihrer Augenlider einen Spaltbreit. Ihr Blickfeld wurde vom breiten, nackten Rücken ihres Gemahls ausgefüllt. Um mehr sehen zu können, würde sie sich aufsetzen müssen. Und da sie das vermutlich noch mehr kalter Luft aussetzen würde, sah sie davon ab, sich aufzusetzen. Was sie allerdings bemerkte, war, dass die Sonne noch gar nicht richtig untergegangen war. Warum war Conall so hellwach und lautstark zu dieser abnorm frühen Stunde? Denn wenngleich es auch nichts Ungewöhnliches war, dass ihr Ehemann herumbrüllte, so war es das sehr wohl, wenn er es in den späten Nachmittagsstunden tat. Der un-menschliche Anstand gebot, dass sich sogar der Alpha-Werwolf von Woolsey Castle um diese Tageszeit ruhig zu verhalten hatte.
»Innerhalb welcher Reichweite genau? So weit kann es sich nich ausgedehnt haben.«
Ach herrje, sein schottischer Akzent kam zutage. Das verhieß nie etwas Gutes.
»In ganz London? Nicht? Nur das gesamte Ufer der Themse und der Stadtkern? Das ist einfach nicht möglich!«
Diesmal vernahm Lady Maccon eine leise gemurmelte Antwort auf das letzte Gebrüll ihres Mannes. Nun ja, beruhigte sie sich selbst, wenigstens war er nicht völlig plemplem geworden. Doch wer würde es wagen, Lord Maccon zu solch einer gottlosen Stunde in seinen Privatgemächern zu stören? Erneut versuchte sie, an seinem Rücken vorbeizuspähen. Warum musste er auch nur so kräftig gebaut sein?
Sie setzte sich auf.
Alexia Maccon war bekannt für ihre königliche Haltung. Das war aber auch so ziemlich alles, was die feine Gesellschaft Positives über sie verlauten ließ. Man hielt ihr Aussehen gemeinhin für zu dunkel, um ihr – abgesehen von ihrem Rang als Lady – allzu viel Anerkennung zu zollen. Alexia hatte stets gehofft, eine gute Haltung könnte ihre körperlichen Makel übertünchen. An diesem Morgen allerdings behinderten sie Decken und Kissen, und es gelang ihr nur, sich ungelenk auf die Ellbogen gestützt aufzurappeln, das Rückgrat schlaff wie eine gekochte Nudel.
Alles, was sich ihr nach dieser übermenschlichen Anstrengung enthüllte, war ein zarter Silberhauch und der schwache Umriss einer menschlichen Gestalt: die Ehemalige Merriway.
Die Ehemalige Merriway murmelte irgendetwas, während sie sich im Halbdunkel angestrengt bemühte, vollständig zu erscheinen. Sie war ein höfliches Gespenst, verhältnismäßig jung und gut erhalten und noch bei völliger geistiger Gesundheit.
»Ach, um Himmels willen!« Lord Maccon schien nur noch wütender zu werden. Lady Maccon
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