Teufelsjagd
wollten sie sich unsichtbar machen. Bullock öffnete eine Tür. Das Zimmer war luxuriös eingerichtet. In ihm standen ein Himmelbett mit vorgezogenen Vorhängen, Regale voll mit Büchern, Zinntellern und Bechern, Hocker und vor dem eleganten Schreibtisch vor dem Fenster ein gepolsterter Stuhl. Die Truhen zu beiden Seiten des Tisches waren halb geöffnet. Bullock zog die Vorhänge des Bettes zurück. Dort lag Appleston so friedlich, daß Corbett erst meinte, er würde schlafen. Bullock öffnete leise redend die Fensterläden.
»Faßt den Becher auf dem Tisch nicht an«, warnte er Corbett, als dieser ihn bereits hochnahm und an ihm roch.
Corbett bemerkte den beißenden Geruch, den der Bordeaux verströmte.
»Was ist das?« fragte er.
»Ich bin Sheriff, kein Apotheker!« fuhr ihn Bullock an. »Aber Churchley behauptet, daß das irgendein Schlafmittel ist, die Art, die einem zu einem ewigen Schlaf verhilft.« Corbett setzte sich aufs Bett. Er zog vorsichtig die Decken zurück und öffnete die Knöpfe von Applestons Nachthemd.
»Ist das wirklich nötig?« fragte Tripham.
»Ja, ich denke doch«, antwortete Corbett.
Er zog das Nachthemd hoch und betrachtete die Leiche. Corbett konnte keine Spuren von Gewalteinwirkung erkennen. Die Haut war etwas feucht, das Gesicht bleich, und die Lippen waren halb geöffnet und wurden lila. Aber es gab keine Auffälligkeiten. Wäre der Becher nicht gewesen, hätte Corbett gedacht, Appleston wäre im Schlaf gestorben.
»Und warum denkt Ihr, daß er der Bellman ist?«
»Schaut auf seinen Schreibtisch«, entgegnete Tripham. Auf dem Schreibtisch fiel Corbett ein ordentlich zugeschnittenes Stück Pergament ins Auge. Die Schrift war dieselbe wie auf den Proklamationen des Bellman. Er bemerkte daneben außerdem ein Tintenfaß und eine Feder.
»Der Bellman kommt und geht««, las er laut. »>Er spricht Warnungen aus und erklärt die Wahrheit, aber trotzdem kommt immer die Dunkelheit. Wer weiß schon, wann er zurückkehren wird?< Etwas rätselhaft«, meinte Corbett. Er ging wieder zum Bett und nahm Applestons Hand. Ihm fielen die schwarzen Tintenflecken auf den Fingern auf. Tintenflecken waren ebenfalls auf dem Nachthemd aus weißem Leinen.
»Und da ist noch mehr«, sagte Bullock.
Er öffnete Truhen und Kisten und holte aufgerolltes Velinpapier und Fässer mit schwarzer Tinte daraus hervor. Dann ergriff er einige Fetzen schon etwas vergilbtes Pergament und drückte sie Corbett in die Hand.
»Entwürfe für die Proklamationen des Bellman.« Er deutete auf eine Rolle Velinpapier, die neben dem Schreibtisch lag. »Auszüge aus den Chroniken über das Leben von de Montfort. Und was noch wichtiger ist…«
Bullock ging zu einer der Kisten und wühlte in ihr herum. Er zog etwas daraus hervor, das wie ein kleines Triptychon aussah. Corbett öffnete es. Statt einer Kreuzigung, flankiert von Maria und Johannes dem Täufer auf den Flügeln, gab es ein primitives Porträt von de Montfort als Heiligem. Auf beiden Seiten standen Mengen von Leuten mit ausgestreckten Händen, und aus ihren Mündern kamen auf eine Art Schleier gemalt die Worte Laudate! Laudate! Preist! Preist!
Corbett beteiligte sich an der Suche. Tripham stand neben der Tür und protestierte. Bullock genoß es, sämtliche Kisten und Truhen auszuleeren. Zum Schluß häufte Corbett alles, was sie gefunden hatten, auf den Schreibtisch.
»Appleston war also der Bellman!? Wir wußten, daß er der uneheliche Sohn von de Montfort ist, und es steht außer Zweifel, daß er eine besondere Liebe für den Earl empfand. Die Schriftrollen, die Schreibgeräte, alles scheint darauf hinzudeuten, daß er der Bellman war.«
»Ihr seid Euch also nicht sicher?« fragte Ranulf.
»Oh, ich finde mich möglicherweise damit ab, daß er der Bellman ist«, entgegnete Corbett. »Aber warum hat er Selbstmord begangen? Denn darauf wird das Urteil sicherlich hinauslaufen, oder? Appleston wird sich klar darüber, daß er mit seinen Tricks nicht mehr weiterkommt. Deswegen verfaßt er ein kurzes Memorandum, in dem er die Wahrheit bekanntgibt, dann nimmt er Gift und stirbt friedlich im Schlaf.« Er schaute zu Tripham hinüber. »War die Tür verschlossen oder nicht?«
»Unverschlossen, Sir Hugh.«
Corbett setzte sich auf einen Hocker und kratzte sich an der Nasenspitze.
»Hier haben wir also einen Mann, der Selbstmord verüben will«, erklärte er. »Er hat sein Todesurteil unterschrieben — man sieht die Tinte noch an seinen Fingern. Das meiste des Weins ist
Weitere Kostenlose Bücher