Atlan TH 0003 – Der Katzer
1.
Seit eineinhalb Monaten befand sich die SOL nun bereits im Bann des geheimnisvollen Energiestrahls, dessen übermächtige Kraft das Schiff immer tiefer in das System Mausefalle hineinzog. Inzwischen galt es als sicher, dass der von der Sonne aus gezählte siebte Planet das Ziel der unfreiwilligen Reise sein würde.
Doch diese Welt hielt ihre Geheimnisse weiterhin unter einer dichten Wolkendecke verborgen. Die pausenlos arbeitenden Instrumente der Fernbeobachtung hatten bisher keine brauchbaren Erkenntnisse geliefert, und die Versuche, durch Sonden und Beiboote Einzelheiten zu erfahren, waren längst eingestellt worden. Die physikalischen Besonderheiten des Zugstrahls beschränkten den Aktionsradius ausgeschleuster Objekte auf ein Minimum. Der Einsatz von Material und Menschen war deshalb von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Dass neben der SOL noch eine Menge anderer Objekte von der unbekannten Kraft eingefangen worden waren und hilflos durch den Raum trieben, bedeutete für Chart Deccon, den Kommandanten des Hantelraumers, keinen Trost. Vielmehr erhöhte sich dadurch die Gefahr, dass die Besatzung des Generationenschiffs durch eine Kollision ein unrühmliches Ende fand. Erst vor Kurzem hatte der drohende Zusammenstoß mit einem riesigen Asteroiden nur durch den Einsatz aller verfügbaren Bordwaffen verhindert werden können.
Der High Sideryt hatte sein Amt vor zwei Jahren und fünf Monaten angetreten, aber einem Problem wie diesem war er bislang noch nicht begegnet. Aus allen möglichen Lagen hatte es stets irgendeinen Ausweg gegeben. In der jetzigen Situation schienen jedoch alle Mittel zu versagen. Die SOL, dieses große, mächtige Schiff, war zum Spielball unbekannter Mächte geworden und nicht fähig, sich aus eigener Kraft zu befreien. Selbst der konzentrierte Einsatz aller verfügbaren Triebwerke hatte keinen Erfolg gebracht. Der Zugstrahl erwies sich als zu stark.
Chart Deccon hielt es für einen glücklichen Umstand, dass sich außer ihm und den Magniden kaum ein Solaner des ganzen Ausmaßes der Gefahr bewusst war. Wenn sich erst herumsprach, wie aussichtslos die Lage von der Schiffsführung eingeschätzt wurde, konnten die diversen Krisenherde an Bord leicht eskalieren.
Hinzu kam jener mysteriöse Fremde, der sich seit vier Wochen in der SOL aufhielt und den sämtliche Einsatzkräfte der SOLAG offenbar nicht zu fassen bekamen. Allein die Anwesenheit dieses Mannes bedeutete für Deccon und seine Organisation eine Bedrohung. Was die ganze Sache noch schlimmer machte, war der Umstand, dass der Unbekannte seine äußerliche Ähnlichkeit mit einem Arkoniden, der vor vielen Jahrzehnten eine Rolle an Bord des Hantelraumers gespielt hatte, schamlos ausnutzte. Er nannte sich Atlan und hatte damit insbesondere bei den Terra-Idealisten sehr schnell erheblichen Einfluss gewonnen.
Der High Sideryt war nach wie vor entschlossen, den Fremden verhaften zu lassen. Die überall schwelenden Unruhen unter den Solanern verlangten es, ihn so schnell wie möglich dingfest zu machen. Noch immer hatten die SOL und ihre Besatzung kein festes Ziel, eine Aufgabe, auf die man sich fokussieren konnte und die dabei half, die Verhältnisse an Bord in stabile Bahnen zu lenken. In dieser Situation konnte Deccon einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor wie diesen Unbekannten nicht brauchen.
Manchmal wurde ihm das alles zu viel. Er merkte es in jenen Momenten, in denen er allein war und sich seine Gedanken im Kreis drehten.
Dann wurde er sich seiner Ohnmacht bewusst, seiner Unfähigkeit, die anstehenden Probleme sachlich zu analysieren und Entscheidungen zu treffen.
Wieder, wie so oft in den letzten Wochen, begann er damit zu liebäugeln, die Schläfer zu wecken. Nur in einer äußerst schweren Krise war das erlaubt, wenn es keinen anderen Ausweg mehr zu geben schien. Nur dann durften sie aus ihrem Kälteschlaf erlöst werden, um dem Wohl der Menschen an Bord des Hantelraumers dienen zu können. Aber noch zögerte Chart Deccon.
Mit ihrem Wissen mochten die Schläfer, die viele auch gerne die Weisen oder einfach die Alten nannten, tatsächlich eine wertvolle Hilfe sein. Aber das konnte auch unversehens dazu führen, dass er selbst den größten Teil seiner Macht einbüßte. Das Risiko wollte er nicht eingehen. Noch nicht.
Er kannte die frühere Bedeutung der fünf Schläfer, deren auf ein Minimum reduzierte Lebensfunktionen seit mehr als einhundert Jahren von SENECA überwacht wurden. Er kannte ihre Namen und Taten aus
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