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Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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hervorgehoben werden, sondern die Scham wird wie die gesamte Geschlechtlichkeit als ein gottgewollter Selbstwert der menschlichen Existenz betrachtet.»
    «Interessant. – Jetzt bitte aufsetzen!»
    Der Arzt hörte mit dem Stethoskop Herz und Lunge Laubmanns ab. «Bitte tief einatmen!»
    «Der Psychoanalytiker Erich Fromm …»
    «Bitte die Luft anhalten! – Und ausatmen!»
    «… stellt sogar die Scham mit der Angst auf eine Stufe und meint, der Mensch müsse beides unbedingt überwinden, sonst gehe er unweigerlich zugrunde.»
    «Fromm ist mir bekannt. Sie können sich wieder anziehen.»
    Philipp Laubmann war erleichtert und griff gleich nach seiner Hose.
    Dr. Rüdiger Pabst setzte sich indessen an den Computer. «Sie sind 40, wie ich sehe.»
    «Seit dem 23. März», sagte Philipp, wobei er sich sein Unterhemd über den Kopf zog. «Ich hab um die Zeit des Äquinoktiums, der Tagundnachtgleiche, Geburtstag. Ich neige allerdings mehr der Nacht zu, bin eher ein Nachtmensch.»
    «Vielleicht können Sie durch die Kur Ihren Tagesablauf, Ihre Ernährung und Ihre fehlende Bewegung so nachhaltig regulieren, dass sich das zu Hause fortführen lässt.»
    «Ach Gott!», unterbrach ihn Laubmann. «Versetzen Sie mich bitte nicht noch mehr in Stress! Ich weiß ja, dass ich gesünder leben müsste. Aber ich habe nun mal meinen gewohnten Rhythmus – und eine ganze Menge Verpflichtungen!»
    «Kann ich mir vorstellen», murmelte Pabst nebenbei, während er die neu gewonnenen Daten in den Computer eintrug. Entschuldigungen hatten sie alle; das wusste er aus Erfahrung.
    «Ich muss mich um meine Mutter und meine Cousine kümmern. Dann mein Beruf als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Katholische Moraltheologie in Bamberg, wo ich pro Semester ein Seminar zu leiten habe. Ferner muss ich ein sehr umfangreiches Thema für meine Habilitation bearbeiten!»
    «Schlimm.» Die Anteilnahme für den theologisch-wissenschaftlichen Assistenten hielt sich in Grenzen.
    « Die Unmöglichkeit finaler Antworten auf moralische Probleme .»
    «Schrecklich.»
    «Das Thema meiner Arbeit, verstehen Sie?»
    «Nicht ganz …» Dr. Pabsts Aufmerksamkeit für moralische Probleme war momentan nicht besonders ausgeprägt.
    Dr. Laubmann bemühte sich um eine Erklärung. Inzwischen war er vollends bekleidet und saß wieder auf dem Stuhl beim Schreibtisch. «Das zielt letztlich auf die Gottesfrage. Die beschäftigt mich Tag und Nacht. Ich bin nämlich Gottsucher. Das ist, wenn Sie so wollen, meine eigentliche Berufung. Und das bedeutet oft nächtelanges Forschen und Lesen in meiner Bibliothek.»
    ‹Ein Arzt muss auch Tag und Nacht für seine Patienten da sein›, dachte Pabst.
    «Und außerdem beschäftigt mich immerzu eine der Grundfragen meines Lebens: Soll ich mich in absehbarer Zeit zum Priester weihen lassen oder nicht?»
    «Machen Sie das doch.»
    «Dann stellen Sie sich mal einen Priester vor, der Kriminalfälle löst! Denn das ist eine Nebenbeschäftigung von mir», fügte Laubmann mit ein wenig Stolz hinzu. «Gerade als Moraltheologe mag ich nicht nur theoretisch mit Schuld und Sühne zu tun haben.»
    «Pater Brown kann das, Priester und Detektiv sein.»
    «Ich bin aber keine literarische Kunstfigur.»
    Der Arzt entdeckte im Patienten-Vorgang weder einen Hinweis auf eine polizeiliche Tätigkeit noch auf aktuelle Kriminalfälle. «Finden Sie dafür in Bamberg ein Betätigungsfeld?»
    «Hin und wieder.»
    «Dann können Sie sich in unserem Kurbad einmal richtig davon erholen. Ihre Blutwerte sind, nach den schon etwas veralteten Untersuchungsergebnissen Ihres Hausarztes zu urteilen, übrigens in Ordnung – nur das Cholesterin könnte niedriger sein. Sie brauchen mehr Bewegung. – Warten wir mal die neuen Ergebnisse ab.»
    Der Doktor der Moraltheologie fühlte sich nun gewissermaßen «innerlich» bloßgestellt. Aber er wagte keinen Widerspruch, als ihm der Badearzt die Verordnungen bekanntgab. Er sah Laubmann dabei eindringlich an: Lauftraining, zumindest Rundgänge in Kissingens Wandelhallen, in den Saale-Auen oder im Gradierwerk, verbunden mit einer Trinkkur, dann Krankengymnastik, unbedingte Diät – «auch wenn die Fastenzeit schon vorbei ist» – und zusätzlich Moorbäder oder Sauna.
    «Das hört sich an wie Gesundschrumpfung.»
    «Ihr Hauptproblem ist nun mal das Übergewicht – vor allem in Ihrem Alter und bei Ihrer Größe. Wären es zehn Zentimeter mehr, wäre das kein Thema. So aber werden Ihnen die Blutgefäße auf Dauer

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