The Haunted
er nicht mehr zu sehen war. Dann klappte ich mein Handy auf und wählte das Taxiunternehmen, dessen Nummer ich schon zu Hause eingespeichert hatte. Zehn Minuten später fuhr ein Taxi vor.
»Nach Martinsburg«, sagte ich dem Fahrer. Caspian saß stumm neben mir. Sobald wir im Stadtzentrum ankamen, fragte der Fahrer, wohin ich denn nun wolle. Wir befanden uns gerade genau neben einem Blumenladen. »Lassen Sie mich einfach hier raus«, sagte ich und zahlte. Caspian stieg als Erster aus, ich folgte ihm rasch.
Als das Taxi davonbrauste, wandte ich mich an Caspian. »Kommt dir etwas bekannt vor?« Auf der Straße war nichts los, ich brauchte mir also keine Sorgen zu machen, dass jemand sah, wie ich Selbstgespräche führte.
»Na klar. Hier war ich zu Hause.«
»Wohin willst du?«, fragte ich.
»Das kommt ganz auf dich an«, meinte er. »Du bist der
Gast.«
Ich nickte. »Wollen wir einfach nur ein bisschen herumlaufen? Dabei kannst du mir ja etwas über den Ort erzählen.«
Er nickte kurz und setzte sich in Bewegung. Ich beeilte mich, mit ihm Schritt zu halten, und wartete darauf, dass er etwas erzählen würde. Aber er blieb ziemlich lange stumm.
Als wir an einem Luftballonladen vorbeikamen, fing er endlich an zu reden. »Siehst du die Tür dort?« Ich reckte den Hals und entdeckte eine Glastür. »An der habe ich mir mal den Fuß aufgeschnitten. Es gibt da so ein übles Metallteil, einen Türstopper, und dieses Ding ist mir quer über den Fuß gefahren. Ich hatte nur Sandalen an. Hinterher musste der Schnitt mit zwölf Stichen genäht werden.«
Ich krümmte mich. Die Vorstellung, dass er blutete, war schrecklich.
Dann bogen wir um die Ecke und ließen die Hauptstraße hinter uns. Je weiter wir liefen, desto schmutziger wurden die Straßen, desto schäbiger die Häuser. Schmale Reihenhäuschen drängten sich aneinander, fast übereinander.
»Komisch«, sagte ich. »Es spielen gar keine Kinder draußen. Jetzt sind doch Ferien, da müsste man sie doch eigentlich in den Gärten oder auf der Straße sehen.«
»Als ich hier gelebt habe, gab es nicht sehr viele Kinder«, erwiderte er. »Hier wohnen überwiegend ältere Leute, die sich keinen Altersruhesitz leisten können. Eigentlich können sie sich nicht mal ihre eigenen Häuser leisten.«
»Ach so.« Das war traurig.
Am Ende des Blocks blieb Caspian vor einem kleinen grauen Haus stehen, das direkt neben ein paar Bahngleisen stand. Die Fenster waren winzig und staubig und es gab keine Fensterläden. »Home sweet home«, sagte er.
»Hier hast du gewohnt?« Ich versuchte, die Überraschung in meiner Stimme zu verbergen. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Er trat gegen einen losen Stein. »Jawohl, in diesem Haus bin ich aufgewachsen.« Er ging näher heran und reckte sich vor, um in eines der Fenster zu spähen.
Ich trat neben ihn und sah ebenfalls hinein. »Ist jemand zu Hause?«, flüsterte ich.
»Wahrscheinlich wohnt hier gar keiner mehr.« Er versuchte, die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen.
In der Küche standen zwei Farbeimer, daneben lagen ein halbes Dutzend Pinsel und ein paar leere Bierflaschen. »Hier wird renoviert«, meinte ich.
Caspian setzte sich auf den Zementblock vor dem Haus und stützte den Kopf in die Hände. »Ich hoffe, sie reißen den verdammten Teppich in der Küche raus.«
»Ein Teppich in der Küche? Seltsam.«
»Wem sagst du das. Das ganze Haus war mit Klebeband und Kaugummi dekoriert. Die Hähne funktionierten nur den halben Tag, in der Dusche gab es kein heißes Wasser und man konnte immer nur zwei Steckdosen auf einmal benutzen, sonst flog die Sicherung raus. Das Haus war schon damals abbruchreif.«
Er wirkte verlegen. Ich dachte an mein eigenes Zuhause. Na klar, auch in unserem Haus krachte und knarzte es ab und zu, aber es war groß und geräumig und renoviert. Ich musste nie darüber nachdenken, welche Steckdose ich benutzen konnte oder ob ich heißes Wasser hatte.
»Es war trotzdem dein Zuhause und ich bin froh, dass du es mir gezeigt hast«, sagte ich. »Es ist ein Teil deiner Kindheit.«
»Ein Teil, den ich lieber vergessen würde.« Caspian sah mich nicht an und trat wieder gegen einen Stein. »Das einzig Gute an diesem Haus waren die Gleise.« Er stand auf. »Komm mit!«
Er führte mich über die Schienen bis zu einer steilen Böschung, an deren Fuß ein Abflussrohr verlegt war. Er kletterte hinunter und langte hinter das Rohr. Anscheinend grub er mit den Händen nach etwas. »Sie ist noch da!«,
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