The Hood
schön, hält man denn ein Einsatzschild in der einen Hand und einen Schäferhund in der anderen?
»Du hast zu viel Saints Row II gespielt«, sagt er trocken. Die Aggro-Jungs lieben dieses Game, in dem zwei Gangs sich Revierkämpfe um den Drogenmarkt in einer urbanen Wüste liefern, sich gegenseitig mit Macheten und Baseballschlägern in Stücke hauen.
»Die sind legendär brutal«, quakt Spoony mit tiefer Stimme, als er Richtung Spiele-Raum verschwindet. Er liebt den Film Hooligans mit Elijah Wood, besonders die Szene, in der sie ihm mit einer Kreditkarte den Mund zerschneiden.
Auf der anderen Seite des Raums sitzen zwei andere Kids vor den Computern: Tam, siebzehn, und seine kleine Schwester, beide aus einer Siedlung in der Nähe von Easterhouse. Sie sehen süß aus, ja sogar harmlos. Aber das Bridge ist ein sicherer Ort, an dem man sich verstecken kann, wenn Gegner nach dir suchen. Samstagnachmittag ist Geisterstunde. Mit fünfzehn stand Tam wegen versuchten Mordes unter Anklage. Er war zu Hause und sah sich ein Spiel Celtic gegen Rangers an, als eine Dose gegen die Fensterscheibe flog. Seine kleine Schwester bekam einen Schrecken. Also schnappte er sich den Stiel einer Spitzhacke, nahm die Verfolgung auf und verpasste dem Typen einen doppelten Schädelbruch, so dass er monatelang ins Krankenhaus musste. Außer versuchtem Mord war er verurteilt wegen permanenter Entstellung und schwerer, lebensbedrohlicher Körperverletzung. Er ist im Bridge, weil er auf seinen Prozess wartet. An Halloween im Jahr zuvor war er auf der Edinburgh Road und bekam eine Gürtelschnalle auf den Hinterkopf geschlagen, es musste mit fünf Stichen genäht werden. Sie basteln an ihren Gang-Seiten auf Bebo. Tams Vater hat sich vor ein paar Jahren den Fuß bei einem Unfall mit einem Gabelstapler gebrochen und nimmt heute regelmäßig Schmerzmittel, also kann Tam nicht ins Gefängnis, weil er seine Schwester beschützen muss. Beide sind schüchtern und ein bisschen hilflos.
Schließlich ist da noch eine Gruppe kreischender 14-jähriger Mädchen von Aggro, die über Jeggings quatschen, Skinny Jeans, bauchfreie Tops und anderes Zeug von Primark. Der Sozialarbeiter versucht sie für einige Kurse zu begeistern, doch sie interessieren sich nur für Sexualkunde. Eine 12-Jährige wurde wegen Kiffens unter Hausarrest gestellt. Eine andere hat jede Menge Schwierigkeiten wegen ihres Alkoholkonsums. Mel will zur Uni und Modeln studieren. Sie teilt sich das Zimmer mit ihren Halbschwestern und streitet sich ständig über Make-up und die Katzen.
»Ich mag Theater, aber ich mag nicht meine Theater-Lehrerin«, beschwert sie sich, kaut an einem Nagel. »Die hackt dauernd auf mir rum.«
»Wegen deinem großen Apfelsinengesicht. Es ist so auffallend.«
Das Bridge schließt samstags um fünf, und sie sind auf den Straßen. Um die Zeit totzuschlagen, liefern sie sich eine Wasserschlacht bei McDonald’s, dann ziehen sie los, kaufen drei Liter Frosty Jack Cider, den sie mit ihren älteren Freunden von den Den Toi trinken wollen, die sie in der Schule kennengelernt haben. McDonald’s und eingelegte Zwiebeln überdecken den Alkoholgeruch.
Sie gehen die Easterhouse Road entlang, während es wie aus Eimern regnet. Es ist immer noch gefährlich, an einem Samstagabend in Easterhouse unterwegs zu sein.
Zur gleichen Zeit in den USA erhebt sich David Kennedy, um einen Vortrag über Strafjustiz zu halten. Seine Stimme ist voller Leidenschaft. Er hat die Augen eines erschöpften Kriegers.
»Mein Dad arbeitete als Ingenieur in Detroit. Er saß früher im mer am Esszimmertisch, und wir haben dann immer darüber gesprochen, warum Autos funktionieren. Ingenieure und Ärzte haben eine sehr pragmatische Herangehensweise an zu lösende Aufgaben. Wie genau das Ergebnis erreicht wird, interessiert sie nicht. Es zählt allein, dass das Auto funktioniert. Dann haben wir die Welt der Verbrechensbekämpfung und Strafjustiz – nichts von dem, was wir tun, funktioniert. Alle sind sofort beleidigt, wenn man darauf hinweist. Wenn ein Student in der Elektrotechnik eine neue Möglichkeit findet, die funktioniert, wird die alte, schlechtere sofort fallengelassen. Architekten bauen keine Häuser, die einstürzen. Coole Ideen zu haben und wirklich klug zu sein bedeutet einen Scheißdreck, wenn es nicht funktioniert. Ich sitze mit ranghohen Drogenfahndern und Harvard-Absolventen in Strafrecht zusammen. Ich habe einen ungeheuren Respekt vor diesen Leuten, aber wenn’s die Nagelprobe
Weitere Kostenlose Bücher