Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Descartes, als Wesen des Geistes und der Materie diese zu zweierlei entgegengesetzten Substanzen machen sollten; unter dem erstern aufgefaßt, erscheint die Substanz dem Intellekt als das unendlich Denkende (als unendliche Geisteswelt), unter dem zweiten aufgefaßt, als das unendlich Ausgedehnte (als unendliche Stoffwelt); beide sind, da außer Gott keine andre Substanz existiert, der Substanz nach identisch, keine qualitativ entgegengesetzten Substanzen mehr, weshalb der Cartesianische Einwand gegen die Möglichkeit der Wechselwirkung zwischen Geist und Materie, Seele und Leib beseitigt erscheint. Hiermit ist im Gegensatz zu dem gewöhnlichen und cartesianischen Dualismus der entschiedene Monismus gelehrt. Das unendliche, als solches unbestimmte Denken zerfällt nun durch inhaltliche Bestimmungen in unzählig viele Gedanken (Ideen); die unendliche, als solche unbegrenzte, Ausdehnung zerfällt durch räumliche Begrenzung in unzählig viele Stoffmassen (Körper), die sich untereinander ebenso gegenseitig ausschließen, als sich in stetiger Reihenfolge gegenseitig berühren. S. bezeichnet diese Bestimmungen als Modi, d. h. als Affektionen der Substanz, die Ideen als solche, insofern die Substanz unter dem Attribut des Denkens, die Körper als solche, insofern sie unter dem Attribut der Ausdehnung vorgestellt wird. Da beide Attribute der Substanz nach identisch sind, das unendliche Denken aber der Summe aller einzelnen Denkbestimmungen (Ideen), die unendliche Materie der Summe aller einzelnen begrenzten Stoffteile (Körper) gleich ist, so müssen auch diese beiden in ihrer stetigen Reihenfolge untereinander (der Substanz nach) identisch, und kann zwischen der (idealen) Gesetzmäßigkeit des Ideenreichs und der (mechanischen) Gesetzmäßigkeit der Körperwelt kein Gegensatz vorhanden sein. S. stellt daher nicht nur den Satz auf, daß aus dem unendlichen Wesen Gottes (als natura naturans ) Unendliches auf unendlich verschiedene Weise folge (als natura naturata ), sondern auch den weitern, daß die Folge und Verknüpfung der Ideen, die ideale, und jene der ausgedehnten Dinge, die reale Weltordnung, ein und dieselbe ( ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum ) seien, womit die Identitätsphilosophie ausgesprochen ist.
Folge des erstern Satzes ist, daß die Gesamtsumme der Wirkungen Gottes, die Welt der Erscheinungen, ihrer Beschaffenheit sowohl als ihrer Verknüpfung nach als eine unabänderliche, von Ewigkeit her feststehende, angesehen werden muß. Folge des zweiten ist, daß die im Reiche des Geistes waltende Gesetzlichkeit von der das Reich der Materie regelnden (mechanischen) nicht verschieden, das die Erscheinungen der Natur ausnahmslos beherrschende Kausalgesetz daher auch das die Erscheinungen des Geistes bestimmende sei. So wenig in der Körperwelt eine Wirkung ohne zwingende Ursache, so wenig ist in der Geisteswelt ein Willensentschluß ohne nötigendes Motiv möglich, womit der volle Determinismus gegeben ist. Die geistigen wie körperlichen Erscheinungen selbst als Entfaltung der Substanz (des all-einen Seins) sind weder das Werk einer Vorsehung, da die Substanz als solche weder Intelligenz noch Willen besitzt, von einem »Weltplan« nicht die Rede sein kann, noch eines blinden Verhängnisses, da die Substanz Ursache ihrer selbst und von nichts außer ihr abhängig ist. Die Beschaffenheit und Reihenfolge der Erscheinungen sind nicht durch Zwecke, sondern lediglich durch wirkende Ursachen bestimmt; sie und weder gut (nützlich) noch schlecht (schädlich), sondern einfach notwendig. Als solche ist die Welt weder die beste noch die schlechteste unter mehreren möglichen, sondern die einzig mögliche. Die Erkenntnis dieser unabänderlichen Weltordnung ist es, die den Weisen vom Toren scheidet. Während der letztere vom Weltlauf die Erfüllung seiner Wünsche hofft oder deren Gegenteil fürchtet, erkennt der erstere, daß jener unabhängig von diesen unabänderlich feststeht und daher weder Hoffnung noch Furcht einzuflößen vermag. Die philosophische Erkenntnis besteht darin, die Dinge zu schauen unter dem Gesichtspunkte der Ewigkeit, sub specie aeternitatis , d. h. jedes Einzelne (Idee, Körper, Ereignis) im Zusammenhang als Glied des unendlichen Ganzen, als aus Gott ewig und notwendig hervorgehend. Die philosophische Gemütsstimmung besteht einerseits in der Resignation, d. h. in der Ergebung, die aus der Erkenntnis der Notwendigkeit, anderseits in der intellektualen Liebe zu Gott, die aus
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