Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
zweiten Theil der Untersuchung über und zeige, dass diese Freiheit auch ohne Gefahr für den Frieden des Staats und die Rechte der höchsten Staatsgewalt bewilligt werden kann, ja muss, und ohne Gefährdung des Friedens und ohne Schaden für den Staat nicht genommen werden kann. Ich beginne zum Beweise dessen mit dem natürlichen Rechte jedes Einzelnen. Dies erstreckt sich so weit, als sein Begehren und seine Macht reicht, und Niemand ist nach dem Naturrecht gehalten, nach eines Andern Willen zu leben, sondern Jeder ist Herr über seine Freiheit. Ich zeige ferner, dass Niemand dieses Rechtes verlustig geht, ausser wenn er seine Macht, sich zu vertheidigen, auf einen Andern überträgt, und dass Derjenige nothwendig und unbedingt dieses natürliche Recht erhalte, auf den der Andere das Recht, nach seinem Willen zu leben, zugleich mit der Macht, ihn zu vertheidigen, übertragen hat. Damit zeige ich, dass die Inhaber der höchsten Staatsgewalt ein Recht auf Alles haben, so weit ihre Macht reicht; dass sie allein die Bewahrer des Rechts und der Freiheit sind, und dass die Uebrigen in ihrem ganzen Handeln nur die Anordnungen Jener zu befolgen haben. Allein da Niemand sich der Macht, sich zu vertheidigen, so begeben kann, dass er ein Mensch zu sein aufhört, so folgere ich daraus, dass Niemand seines natürlichen Rechtes ganz beraubt werden kann, und dass die Unterthanen Manches gleichsam nach dem Naturrecht behalten, was ihnen ohne grosse Gefahr für den Staat nicht genommen werden kann, und was ihnen deshalb entweder stillschweigend zugestanden wird, oder was sie Denen gegenüber, die die Staatsgewalt inne haben, ausdrücklich sich vorbehalten.
Nach diesen Betrachtungen gehe ich auf den jüdischen Staat über und zeige, auf welche Weise und durch welche Beschlüsse die Religion hier die Kraft eines Gesetzes zu erhalten begann, und erwähne da nebenbei auch noch Anderes ausführlich, was des Wissens werth ist. Demnächst zeige ich, dass die Inhaber der höchsten Staatsgewalt nicht blos die Bewahrer, sondern auch die Ausleger, sowohl von dem bürgerlichen wie von dem geistlichen Recht sind, und dass sie allein befugt sind, zu bestimmen, was recht und unrecht, was fromm und gottlos sein soll. Endlich schliesse ich damit, dass dieses Recht am besten bewahrt und diese Herrschaft sicher erhalten werde, sofern nur Jedem das, was er will, zu denken, und das, was er denkt, zu sagen gestattet ist.
Dies biete ich den philosophischen Lesern zur Prüfung. Ich hoffe, sie werden es gern aufnehmen, da der Gegenstand sowohl des ganzen Werks wie der einzelnen Kapitel bedeutend und nutzbringend ist. Ich würde noch mehr sagen, allein diese Vorrede soll nicht zu einem Bande anschwellen, und das Hauptsächlichste ist ja bereits dem Philosophen genügend bekannt, während es nicht meine Absicht ist, den Uebrigen diese Abhandlung zu empfehlen, da ihnen schwerlich darin etwas in irgend einer Beziehung gefallen wird. Denn ich weiss, wie hartnäckig gerade die Vorurtheile dem Geist anhaften, die unter dem Schein der Frömmigkeit aufgenommen worden sind, und ich weiss auch, dass es gleich unmöglich ist, der Menge den Aberglauben wie die Furcht zu benehmen; ich weiss endlich, dass die Hartnäckigkeit der Menge zähe ist, und dass sie sich nicht durch die Vernunft leiten, sondern durch die Leidenschaft zum Lob und Tadel hinreissen lässt. Ich lade deshalb den grossen Haufen und Alle, welche die gleichen Leidenschaften mit ihm hegen, zum Lesen dieser Schrift nicht ein, vielmehr ist es mir lieber, sie legen sie ganz bei Seite, als dass sie sie wie Alles verkehrt auslegen und damit lästig fallen. Sie haben dann davon keinen Nutzen und schaden Anderen, die freisinniger philosophiren würden, wenn sie nicht meinten, die Vernunft müsse die Magd der Theologie bleiben; denn Diesen würde sicherlich dieses Werk von grossem Nutzen sein.
Endlich haben vielleicht Viele weder die Müsse noch die Absicht, die ganze Schrift durchzulesen; ich muss deshalb hier ebenso, wie es am Schluss derselben geschehen ist, erinnern, dass ich Alles, was ich schreibe, gern und willig dem Urtheil der höchsten Staatsgewalt meines Vaterlandes unterbreite. Sollte diese finden, dass das, was ich sage, im Widerspruch mit den Gesetzen des Landes stehe oder dein allgemeinen Wohl Schaden bringe, so will ich es nicht gesagt haben; denn ich weiss, dass ich ein Mensch bin und irren kann. Indess habe ich mich ernstlich vor Irrthümern zu bewahren gesucht und vor Allem
Weitere Kostenlose Bücher