Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte
anderen Ende saß ein Beamter hinter dem Empfangstisch. Er musterte meinen Marschbefehl, zog die Nase hoch und sagte: »Ah, da sind Sie ja endlich. Ich werde Ihnen und dem Richter zehn Minuten Zeit lassen, um sich bekannt zu machen, dann schicke ich die ersten herein. Genügt das?«
»Ja, gut.«
Ich öffnete die Tür hinter ihm und trat in einen weiteren großen Raum, an dessen hinterem Ende ein weiterer, allerdings sehr viel größerer Tisch stand. Hinter dem Tisch saß ein bärtiger älterer Herr in schwarzer Robe, der einer Sekretärin etwas diktierte. An den Wänden hingen Dankschreiben aus aller Welt an die
König Salomon Gmb-H
. Der Mann nahm sich offensichtlich sehr ernst.
»Besten Dank für Ihr Schreiben vom siebzehnten dieses Monats«, sagte er gerade, als ich hereintrat. »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass sich unsere Firma schon seit längerem nicht mehr mit Problemen beschäftigt, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fußnotofons stehen. Ich schlage vor, dass Sie Ihre Beschwerde direkt an die Abteilung für Reklamationen der FNP richten. Mit vorzüglicher Hochachtung, Salomon. Das sollte genügen. Was kann ich für Sie tun?«
»Thursday Next, Sir. Ich soll mich bei Ihnen zum Dienst melden.«
»Ah!« sagte er, stand auf und hielt mir die Hand hin. »Die
Außenländerin
. Ist es eigentlich wahr, dass da draußen mehrere Personen
gleichzeitig
reden können?«
»Das passiert im Außenland dauernd.«
»Verstehe. Und was halten Sie davon?« Mit einer schwungvollen Bewegung stellte er einen grellroten Signalkegel auf seinen Schreibtisch.
»Das ist ... ein Signalkegel. Er dient dem Straßenverkehr.«
»Ein seltenes Stück, oder?«
Ich wählte meine Worte sehr sorgfältig. »In manchen Gegenden der Außenwelt sind sie ganz unbekannt.«
»Ich sammle außenländische Artefakte«, sagte er voller Stolz. »Sie müssen sich mal meine Sammlung von Teemaschinen ansehen.«
»Das wäre mir ein Vergnügen.«
Er setzte sich und forderte mich auf, ebenfalls Platz zu nehmen. »Das mit Miss Havisham tut mir leid«, sagte er. »Sie war einer der besten Agenten, die Jurisfiktion je hatte. Wird es eine Gedächtnisfeier geben?«
»Am Dienstag.«
»Ich muss unbedingt Blumen schicken. Herzlich willkommen bei der
König Salomon Gmb-H
. Im wesentlichen geht es um Schlichtung und Vergleiche. Manchmal auch Lizenzvergabe. Wir brauchen einen Sicherheitsdienst, der im Wartesaal für Ordnung sorgt. Da geht es manchmal hoch her.«
»Sie
sind König Salomon?«
Der alte Herr lachte. »Ich? Sie machen wohl Witze? Der Tag hat nicht genug Sekunden für einen einzigen Salomon - nachdem er diese Geschichte mit dem geteilten Säugling gemacht hatte, wollten plötzlich alle ein Urteil von ihm. Sie wissen ja: ›Alle Welt begehrte Salomon zu sehen‹ usw.
Alles
sollte er schlichten - von Kartellstreitigkeiten bis zu Raufereien im Sandkasten. Daraufhin hat er das gemacht, was jeder vernünftige Kaufmann tun würde: Er hat ein Franchise-Unternehmen gegründet. Wie sollte er den großen Tempel, die Kriegswagen und die Flotte denn sonst auch bezahlen? Vielleicht von diesem Landverkauf an Hiram von Tyros? Seien Sie doch mal realistisch! Mein Name ist Kenneth.«
Ich sah ihn zweifelnd an.
»Ich weiß, was Sie denken. ›Das Urteil von Kenneth‹ klingt ein bisschen blöd. Deswegen haben wir uns die Genehmigung geben lassen, Urteile in Salomons Namen zu fällen. Kostet zwar eine Kleinigkeit, ist aber völlig korrekt. Man muss eine Robe kaufen und sich einen Bart wachsen lassen, aber das ist es auch wert. Man bekommt eine sehr gute Ausbildung, und die meisten Leute sind durchaus zufrieden. Der echte Salomon tritt gar nicht mehr öffentlich auf. Er arbeitet jetzt zu Hause und beschäftigt sich mit den letzten Fragen des Daseins.«
»Und was ist, wenn einer der Filialisten korrupt ist und schlechte Urteile fällt?«
»Ach, das ist ganz einfach«, lächelte Kenneth. »Der Schuldige wird von Höchster Stelle aufs Haupt geschlagen und muss eine Ewigkeit in der Hölle verbringen, wo er von Dämonen sadistisch gequält wird. In dieser Hinsicht ist Salomon sehr konsequent.«
»Ich verstehe.«
»Gut. Dann wollen wir mal den ersten Kunden reinlassen.«
Ich ging an die Tür und bat Nummer 32 herein. Ein kleiner Mann mit brauner Aktentasche trat ein und folgte mir zum Richtertisch. Seine Knie wurden offensichtlich butterweich, als er vor Kenneth stand, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen.
»Name?«
»Röslein von
Weitere Kostenlose Bücher