Tief im Herzen: Roman (German Edition)
beibringen. Du wirst bald das Trapez beherrschen.«
»Was? In einem knappen Trikot am Mast schaukeln?«
Das Bild hatte seinen Reiz. »Nicht ganz. Man benutzt eine Leine – ein Trapez – und hängt über dem Wasser.«
»Nur so zum Spaß?«
»Na ja, mir gefällt’s«, sagte er lachend. »Es geht um Geschwindigkeit, Gleichgewicht.«
»Man hängt über dem Wasser«, sagte sie nachdenklich, »vielleicht gefällt’s mir ja auch.«
Er ließ sie unter Seths Aufsicht mit dem Klüver arbeiten. Es gefiel ihr, die Leine in der Hand zu spüren, und zu wissen, daß sie – mehr oder weniger – über die gebauschte weiße Leinwand bestimmte. Sie umrundeten die kleine sandige Spitze von Tangier Island, und Anna lernte blitzschnell die Leinen zu bedienen und das Segel einzuholen, sich auf die nötige Teamarbeit einzustellen und die Geschwindigkeit zu halten, wenn ein Kurswechsel vorgenommen wurde.
Cam hatte sich bis auf seine abgeschnittenen Jeans ausgezogen, seine schweißnasse Haut glänzte in der Sonne. Wenn ihre Hände auch von der ungewohnten Arbeit ein wenig wehtaten, so beschwerte sie sich nicht. Statt dessen freute sie sich wie ein Kind, als Cam ihr sagte, sie mache ihre Sache gut.
Sie aßen auf dem Hudson Creek am Little Choptank River, in der Nähe einer eingestürzten Mole, wo sie nur Vögel und plätscherndes Wasser zur Gesellschaft hatten. Die Sonne stand hoch an einem klaren blauen Himmel, und die Temperatur war fast auf dreißig Grad geklettert, um einen Vorgeschmack auf den Sommer zu geben, der eigentlich noch nicht angesagt war.
Zur Begleitung von Radiomusik kühlten sie sich im Wasser ab. Foolish paddelte fröhlich, während Seth unter die spiegelglatte Oberfläche tauchte und wie ein Delphin schwamm.
»Er hat den Spaß seines Lebens«, murmelte Anna. Eine Schicht des in sich gekehrten, trotzigen, wütenden Jungen, den sie bei ihrem ersten Gespräch kennengelernt hatte, wurde gerade hinweggespült. Sie fragte sich, ob er es wohl wußte.
»Dann kann ich wohl nicht mehr sauer sein, weil du darauf bestanden hast, daß er mitkommt.«
Sie lächelte. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt, damit es nicht naß wurde. Vergeblich. So wie Seth und der Welpe herumplanschten, konnte nichts trocken bleiben. »Es macht dir nicht wirklich was aus, oder? Du hättest nie so segeln können, wenn er nicht an Bord wäre.«
»Richtig.« Cam legte seine die Arme um sie, und Anna packte sofort seine Schultern, um sich zu verteidigen. »Nicht untertauchen.«
»Würde ich so etwas Vorhersehbares tun?« Seine Augen waren rauchblau, als er lachte. »Vor allem, wenn dies so viel mehr Spaß macht.« Er neigte den Kopf und küßte sie.
Ihre Lippen waren naß und schlüpfrig, und Annas Puls klopfte heftig, als sie seinen Mund auf ihren Lippen spürte, als er sie einfing und an ihnen saugte. Das kühle Wasser schien sich zu erwärmen, als ihre Beine sich ineinander verschlangen. Sie war schwerelos und seufzte, als sie in den Kuß hineintrieb.
Dann war sie plötzlich unter Wasser.
Prustend tauchte sie auf und schüttelte sich das nasse Haar aus den Augen. Als erstes hörte sie Seths Lachen, dann sah sie Cams Grinsen.
»Ich konnte nicht widerstehen«, behauptete er, doch dann schluckte er selbst Wasser, als sie sich auf den Bauch drehte und es ihm ins Gesicht strampelte.
»Du bist der nächste«, warnte sie Seth, der so verblüfft war bei der Vorstellung, daß Erwachsene mit ihm spielten, daß sie ihn mit Leichtigkeit packen und unter Wasser drücken konnte.
Er wehrte sich, spuckte Wasser und schluckte noch mehr, als er lachen mußte. »Hey, ich hab’ nichts getan.«
»Du hast gelacht. Außerdem, so wie ich es sehe, arbeitet ihr Kerle im Team. Vermutlich war es sogar deine Idee.«
»O nein.« Er befreite sich, dann verfiel er auf die schlaue Idee, unterzutauchen und sie am Knöchel unter Wasser zu ziehen.
Es entbrannte ein heißer Kampf, und erst als sie erschöpft waren, schlossen sie Waffenstillstand. Sie merkten, daß Cam nicht mehr im Wasser war, sondern seitlich auf dem Boot saß und seelenruhig ein Sandwich aß.
»Was machst du da oben?« rief Anna, während sie ihr tropfnasses Haar zurückschob.
»Ich sehe mir die Show an.« Er spülte den Schinken und den Käse mit Cola hinunter. »Zwei Spinner.«
»Spinner?« Ihr Blick glitt zu Seth, und in stiller Übereinkunft wurden sie Verbündete. »Ich sehe hier nur einen Spinner, und du?«
»Nur einen«, bestätigte er, als sie langsam auf das Boot
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