Tief im Herzen: Roman (German Edition)
an, wenn er zuviel fluchte.
Sie würden es schaffen. Anfangs hatte sie große Zweifel
gehabt, ob die drei eigenwilligen Männer einen Weg finden würden, sich einzugewöhnen und Platz in ihrem Leben zu schaffen, ob sie einem Jungen ihr Herz zu öffnen würden, der ihnen aufgenötigt worden war. Wenn sie in der nächsten Woche ihren Bericht schrieb, würde sie festhalten, daß Seth DeLauter da war, wo er hingehörte. Zu Hause.
Es würde Zeit brauchen, bis man ihnen die endgültige Vormundschaft übertrug, aber sie würde dafür ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen. Nichts wärmte ihr Herz so sehr wie der Blick, den der Junge Cam nach einem erneuten Stupser zuwarf. Er grinste wie jeder Zehnjährige, den man bei einem Streich ertappt hatte.
Er wäre ein toller Vater, dachte sie, rauh und zärtlich zugleich. Er war der Typ Mann, der ein Kind auf den Schultern herumtrug, mit ihm im Hof herumbalgte. Sie sah es fast vor sich – der hübsche dunkelhaarige Junge, das hübsche rosenwangige Mädchen.
»Sie sind in der falschen Branche«, sagte Phillip zu ihr, als er es sich bequem machte und seinen Gürtel lockerte.
Sie blinzelte, beim Tagträumen ertappt, und wurde beinahe rot. »Ich?«
»Sie sollten ein Restaurant eröffnen. Falls Sie sich irgendwann mal in dieser Richtung betätigen wollen, bin ich der erste, der bei Ihnen investiert.« Er stand auf, um die Cappuccino-Maschine in Gang zu setzen. Er wollte das Dessert mit einem Kaffee ergänzen. Als das Telefon läutete, nahm Phillip den Hörer ab.
Beim Klang einer rauchigen, verführerischen Frauenstimme mit italienischem Akzent hob er die Augenbrauen. »Er ist hier.« Phillip reichte Cam den Hörer. »Für dich, Kumpel.«
Sein Bruder konnte die Stimme nach dem ersten gesäuselten Satz beinahe einordnen. »Hallo, Süße«, sagte er und suchte nach einem Namen. »Come va?«
Da er Cam aufrichtig zugetan war, tat Phillip sein Bestes, um Anna abzulenken. »Ich habe diese Cappuccino-Maschine
erst vor etwa einem halben Jahr gekauft«, erklärte er ihr. »Sie ist eine Wucht.«
»Wirklich?« Sie war nicht im geringsten an der Funktionsweise irgendeiner ausgeklügelten Kaffeemaschine interessiert. Nicht jetzt, nachdem sie gehört hatte, wie liebenswürdig Cam seine offenbar weibliche Anruferin begrüßt hatte. Als sie ihn lachen hörte, biß sie die Zähne zusammen.
Es fiel Cam nicht ein, seine Stimme zu dämpfen oder seine Worte zu zensieren. Er hatte endlich den Namen zu der Stimme gefunden – Sophia mit der tollen Figur und den Schlafzimmeraugen – und plauderte locker über gemeinsame Bekannte. Sie mochte Rennen – alle Arten von Rennen – und war selbst eine heiße, flotte Nummer im Bett.
»Nein, in diesem Jahr mußte ich für den Rest der Saison passen«, sagte er. »Ich weiß noch nicht, wann ich nach Rom zurückkomme«, antwortete er, als sie fragte, ob er sie dann anrufen werde. »Sicher erinnere ich mich – die kleine Trattoria in der Nähe der Fontana di Trevi. Auf jeden Fall.«
Ihre Stimme weckte Erinnerungen. Nicht an sie im besonderen, aber an Rom mit seinen geschäftigen, schmalen Straßen, an die Gerüche, die Geräusche, den Trubel.
Die Rennen.
»Was?« Ihre Frage nach seinem Porsche holte ihn mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. »Ja, ich habe ihn in Nizza unterstellen lassen, bis …«
Er verstummte, als sie ihn fragte, ob er ihn eventuell verkaufen würde. An einen Freund, Carlo. Er erinnere sich doch an Carlo, oder? Carlo wolle wissen, ob er den Wagen vielleicht verkaufen wolle, da er doch so lange in den Staaten blieb.
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.« Den Wagen verkaufen? Panik ergriff ihn. Das wäre wie ein Eingeständnis, daß er nicht zurückkehren würde. Nicht nur nach Europa, sondern in sein früheres Leben.
Sie sprach schnell und überzeugend. Ihr Italienisch und Englisch vermischten sich und verwirrten ihn. Er habe doch ihre Nummer, si? Und er könne sie jederzeit anrufen. Sie werde Carlo sagen, daß er es sich überlegen wolle. Cam fehle ihnen allen. Rom sei so noioso ohne ihn. Sie habe gehört, daß er ein großes Rennen in Australien ausgeschlagen habe, und fürchte, daß eine Frau dahinterstecke, die ihn halte. War er endlich doch einer Frau ins Netz gegangen?
»Ja, nein …« Ihm drehte sich der Kopf. »Es ist kompliziert, Schätzchen. Aber ich melde mich bei dir.« Dann brachte sie ihn noch einmal zum Lachen, als sie flüsternd einen Vorschlag machte, wie sie seine erste Nacht in Rom feiern
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