Tiefes Land
Tröpfchen direkt unter dem Haaransatz auf der Stirn gebildet hatte. An der Bar bestellte er sich einen Gin Tonic und steuerte anschließend quer über die Tanzfläche zu einem freien Platz auf der anderen Seite. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt zu warten. Adrian wollte in Bewegung bleiben, nie lange genug an einem Ort sein, damit man ihn nicht so schnell ausfindig machen konnte. Aber Marley würde sicher gleich auftauchen. Und er würde ihm helfen.
Urplötzlich fand er sich in einer dichten Gruppe Tänzer wieder, dabei hatte er bewusst die weniger genutzten Bereiche der Tanzfläche für seinen Weg ausgewählt. Er fluchte leise vor sich hin. Vorsichtig versuchte er sich an den Feiernden vorbei zu schieben, doch ein fremder Ellbogen traf ihn an der Brust und ließ ihn stocken. Nur mit Mühe konnte er verhindern, dass er Gin Tonic über sein Hemd verschüttete. Das Gedränge um ihn herum versetzte ihm ein beklemmendes Gefühl. Er wollte so schnell wie möglich aus dieser Enge heraus.
Unvermittelt spürte Adrian eine kurze Berührung in seinem Rücken. Fast wie ein sanftes Streicheln. Jemand war von hinten an ihn herangetreten. Näher, als es eigentlich notwendig gewesen wäre. Sally, schoss es ihm blitzartig durch den Kopf, vielleicht auch Dina, obwohl er genau wusste, dass keines der beiden Mädchen einen solchen Überfall auf ihn starten würde.
Sie haben mich aufgespürt. Panik machte sich in ihm breit. Doch anstatt sich umzudrehen, rempelte er rücksichtslos vorwärts. Er wollte weg, einfach nur weg.
Ein stechender, heißer Schmerz unter dem linken Schulterblatt stoppte seine Schritte und nahm ihm schlagartig den Atem. Adrian bekam von einer Sekunde auf die andere keine Luft mehr. Nach Sauerstoff gierend und mit schmerzverzerrtem Gesicht drehte er sich um die eigene Achse, um den hinterhältigen Angreifer auszumachen. Niemand stand hinter ihm. Nur die Tänzer bewegten sich entrückt und lächelnd um ihn herum. Seine Rechte fühlte zitternd nach dem quälenden Punkt auf seinem Rücken und fand einen nassen Riss im Jackett. Der Schmerz hatte sich mittlerweile in ein pumpendes Etwas aus eisigem Feuer verwandelt, dass seine Rückenseite mit sich ausbreitender, lähmender Kälte überzog. Er zog die Hand vor sein Gesicht und starrte ungläubig auf die rote Feuchtigkeit. Blut tropfte wie in Zeitlupe von seinen Fingern und wirkte im Licht der Stroboskop-Scheinwerfer noch um einiges unwirklicher.
Seine Gedanken zogen wie zähes Kaugummi an seiner Stirn vorbei. Adrian röchelte leise. Der Gin Tonic entglitt gemächlich seinem matten Griff und zerschellte lautlos im Dröhnen der Bassboxen auf der dunklen Tanzfläche. Glassplitter und eisgekühlter Alkohol spritzten auf. Die plötzliche Mattigkeit ließ ihn kraftlos gegen einen der Tänzer torkeln, seine Hände tasteten vergeblich nach dem Shirt des Mannes. Er fand keinen Halt und fiel schwer und besinnungslos zu Boden.
Als die Kälte Adrians Beine erreicht hatte, war auch das Licht in seinen Augen erloschen.
05:48 Uhr, 04. Mai, Club »Level Y«, Prinsengracht, Amsterdam
Was für ein völlig verkorkster Morgen, dachte Kommissar Gerit Angemer. Ein so beschissener Start in den Tag zog in der Regel einen noch mieseren Abend hinter sich her. Eigentlich hätte er im Bett liegen sollen, seine Frau friedlich schlafend neben ihm, den Wecker Wecker und den Dienst Dienst sein lassen. Stattdessen stand er sich nun in aller Herrgottsfrühe die Beine in den Bauch und wartete darauf, dass sich die fassungslose Bedienung des Technoclubs einigermaßen gefangen hatte. Wahrscheinlich wurde nicht alle Tage jemand vor ihren Augen abgestochen. Aber musste man sich deswegen gleich so anstellen? Immerhin hielt sich die Sauerei auf der Tanzfläche in Grenzen, stellte Angemer übellaunig fest. Nur wegen der schlechten Verfassung des Mädchens konnte er jedenfalls nicht auf eine eingehende Befragung verzichten.
Für gewöhnlich nahm sich der Kommissar die Woche ab dem Koniginnendag frei. Zeit für die Familie. Ein wenig ausspannen, Ausflüge machen, Konzerte besuchen. Feiern. All das, zu dem er sonst nicht kam, wenn er für die Amsterdamer Mordkommission ermittelte. Gut, das hatte sich fürs Erste erledigt. Jetzt hatte er alle Zeit der Welt, allerdings anders als gewünscht.
Emilie, seine Frau, war vor fünf Tagen ohne ein weiteres Wort ausgezogen. Nach über fünfzehn Jahren Ehe. Natürlich hatten sie gestritten, vielleicht auch ein wenig öfter, als es normal gewesen war.
Aber beim
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